Die bevorstehende Wahl für das höchste Amt des Automobil-Weltverbandes wird zum hochbrisanten Politikum – und einer Eilangelegenheit für ein Pariser Gericht. Kurz nach dem Finale der Formel-1-Weltmeisterschaft soll im usbekischen Taschkent der neue Präsident der Fédération Internationale d’Automobile (Fia) gewählt werden. Oder die neue Präsidentin, wenn es nach Laura Villars gehen würde.
Welche Rolle die Frau von Bernie Ecclestone spielt
Die 28 Jahre alte Rennfahrerin aus der Schweiz wollte gegen Amtsinhaber Mohammed Ben Sulayem antreten. So wie der ehemalige Rennkommissar Tim Mayer. Auch Carlos Sainz, Rallye-Ikone und Vater des gleichnamigen Formel-1-Piloten hatte mal mit dem Gedanken gespielt, den Posten zu übernehmen bei dem Verband, der neben vielen anderen Aufgaben auch für das Regelwerk und deren Einhaltung der Motorsport-Königsklasse zuständig ist.
Das Wollen ist aber gar nicht mehr die entscheidende Frage – sie alle können gar nicht gegen Ben Sulayem antreten. Denn gültig ist eine Kandidatur nur, wenn auch aus allen Fia-Regionen jeweils eine Person für das Vizepräsidenten-Amt im Weltrat nominiert wurde.
Das war aber weder Mayer noch Villars möglich – und wäre auch niemand anderem möglich gewesen. «Es wird diesmal keine Wahl geben, es wird keine Debatte von Ideen geben, kein Vergleich von Visionen, keine Untersuchung von Führung. Es wird nur einen Kandidaten geben: Den Amtsinhaber. Und das ist keine Demokratie. Das ist die Illusion von Demokratie», betonte Mayer.
Ben Sulayem: «Strukturierter und demokratischer Prozess»
Denn Südamerika stellt nur eine Kandidatin: Fabiana Ecclestone, die Frau des jahrzehntelangen Formel-1-Geschäftsführers Bernie Ecclestone. An diesem Wochenende steht für die Brasilianerin mit dem Grand Prix in São Paulo wieder das Heim-Rennen an. Das Problem für alle die, die gegen Ben Sulayem antreten wollten: Fabiana Ecclestone hat erneut dem Amtsinhaber die Unterstützung signalisiert.
«Ich habe zweimal versucht, mit der Fia über interne Demokratie und Transparenz zu sprechen – ohne Ergebnis», betont Villars, die selbst eine neue Generation an Führung verspricht: «Demokratie ist keine Bedrohung für den Verband, sondern seine Stärke.»
Sie hätten die Genehmigung für eine stündliche Notvorladung erhalten, erklärte ihr Anwalt: «Was zeigt, dass das Gericht die schwerwiegenden demokratischen Mängel innerhalb der Fia sowie mehrere Verstöße gegen ihre Statuten und Vorschriften, die wir angeprangert haben, ernst nimmt.»
Seit 2021 ist Ben Sulayem im Amt
Am kommenden Montag sollen die Parteien vor einem Pariser Gericht angehört werden. Dabei hatte Ben Sulayem kürzlich noch die Statuten extra gepostet, darunter auch folgenden Satz: «Die Wahl ist ein strukturierter und demokratischer Prozess, um zu jeder Zeit Fairness und Integrität zu gewährleisten.»
Der ehemalige Rallyefahrer aus Dubai führt die Fia seit Dezember 2021, er löste damals Jean Todt ab, der nach zwölf Jahren an der Verbandsspitze nicht mehr antreten durfte. Erstmals in der damals fast 120-jährigen Geschichte der Fia übernahm ein Nicht-Europäer das Amt. Ben Sulayem, der 2013 seine Kandidatur gegen Todt letztlich zurückgezogen hatte, setzte sich bei der Wahl gegen den Briten Graham Stoker durch.
Kritik gibt es nicht wenig am Fia-Boss
Seitdem er im Amt ist, löste Ben Sulayem reichlich Diskussionen aus. Er verbot das Tragen von Schmuck und privater Unterwäsche im Rennwagen zum Unwillen der Fahrer. Er verbannte das Fluchen und verhängte deftige Sanktionen bei Zuwiderhandlung. Er stand im Mittelpunkt von Mobbing- und Sexismus-Vorwürfen.
Ben Sulayem soll Berichten zufolge auch die Entlassung des damaligen Rennleiters Niels Wittich im November 2024 veranlasst haben. Und als er sich mal öffentlich über den Marktwert der Formel 1 äußerte, sahen sie die amerikanischen Besitzer der Rennserie genötigt, ihm einen Brandbrief über die Anwälte zukommen zu lassen mit dem Hinweis, dass er «in nicht zu akzeptierender Weise in unsere Rechte» eingreife.
Angesprochen auf die jüngsten Entwicklungen mit dem Rückzug der Gegenkandidaten, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff in Mexiko, dass Amtsinhaber in jeder Sportart oder in der Politik gewisse Vorteile hätten. «Das ist nichts Neues. Und in dieser Hinsicht war es ziemlich offensichtlich und klar, dass wir mit Mohammed an der Spitze der Fia in die nächste Legislaturperiode gehen werden.» Ob es so klar ist, wird sich noch zeigen. Zuerst einmal am Montag vor dem Pariser Gericht.

