Das wichtigste Schiedsgericht des internationalen Sports entscheidet etwa über Dopingsperren von Athletinnen und Athleten oder Teilnahmebedingungen für Wettkämpfe. (Archivbild)

Ein Urteil des höchsten europäischen Gerichts könnte weitreichende Konsequenzen für die Sportrechtswelt haben. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht es am Freitag (10.00 Uhr) darum, ob der Internationale Sportgerichtshof Cas das letzte Wort haben darf. 

Das wichtigste Schiedsgericht des internationalen Sports entscheidet etwa über Dopingsperren von Athletinnen und Athleten sowie Teilnahmebedingungen für Wettkämpfe. Von Expertinnen und Experten wird die EuGH-Entscheidung mit Spannung erwartet. Die wichtigsten Fragen zu dem Fall im Überblick:

Worüber entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union?

Vor dem höchsten europäischen Gericht geht es darum, ob ein Schiedsurteil des Internationalen Sportgerichtshofs Cas (Court of Arbitration for Sport) verbindlich ist oder durch Gerichte der Mitgliedsstaaten auf Verstöße gegen EU-Recht überprüfbar sein muss. 

Bislang kontrolliert den Cas, der im schweizerischen Lausanne und damit außerhalb der EU sitzt, nur das Schweizerische Bundesgericht. Dieses prüft zudem lediglich, ob es vor dem Sportgerichtshof Verfahrensfehler gab. Die Richterinnen und Richter in Luxemburg urteilen jetzt, ob das nach EU-Recht ausreicht oder in der EU auch die nationalen Gerichte Cas-Entscheidungen überprüfen dürfen.

Warum ist der Fall so wichtig für die Sportwelt?

Die Luxemburger Richterinnen und Richter könnten mit ihrem Urteil ein wesentliches System im Sportrecht aufbrechen. Die Grundidee hinter einer Institution wie dem Sportschiedsgerichtshof ist, dass die privat festgelegten Regelwerke im Sport weltweit einheitlich ausgelegt werden – und nicht in jedem Land unterschiedlich je nach den dortigen Gerichtsentscheidungen. 

So soll über Ländergrenzen hinweg Fairness im Wettbewerb sichergestellt werden. Nationale Gerichte können die Urteile des Cas daher grundsätzlich nur sehr eingeschränkt überprüfen. Je nach Entscheidung des EuGH könnte sich das ändern.

Wenn die Schiedssprüche nicht mehr verbindlich wären, wäre das für sich genommen eine «Sensation», sagt Sportrechts-Experte Jan F. Orth von der Universität Köln. «Wir brauchen so etwas wie den internationalen Sportschiedsgerichtshof, weil er einheitlich und in der Regel schnell entscheidet», erläuterte Orth. 

Gleichzeitig stehe der Cas in der Kritik. Ihm werde vorgeworfen, Sportverbände bei seinen Entscheidungen zu bevorzugen und sehr teuer für die Athleten zu sein.

Worum geht es im konkreten Fall?

Im konkreten Fall streitet sich der belgische Fußballverein RFC Seraing seit mehr als zehn Jahren mit der FIFA über das Verbot der sogenannten Dritteigentümerschaft (Third-Party Ownership, kurz TPO). Dieses Verbot ist in den Regelwerken des Fußball-Weltverbands FIFA, des europäischen Verbands UEFA und der nationalen Verbände festgelegt. 

Die FIFA hatte dem Club deshalb untersagt, dass externe Investoren Rechte an Spielern erwerben – und ihn 2015 mit einer Transfersperre und Geldstrafe belegt. Der Fall landete vor dem Cas, der im Sinne der FIFA entschied. Auch das Schweizerische Bundesgericht hatte nichts daran auszusetzen. Daraufhin stellte Seraing die Unabhängigkeit des Cas infrage, da dieser durch internationale Verbände finanziert wird. Der Verein zog vor die Gerichte in Belgien.

Lässt sich abschätzen, wie das Urteil lauten könnte?

Die Entscheidung des Gerichts erfährt die Öffentlichkeit erst mit der Verkündung an diesem Freitag. Allerdings sieht es für den Cas nicht besonders gut aus: Die zuständige Generalanwältin vertrat in ihren Schlussanträgen die Auffassung, dass nationale Gerichte in der EU die Schiedssprüche umfassend überprüfen können müssen. 

Sie argumentierte, dass die Zuständigkeit des Cas im Fußball den Sportakteuren aufgezwungen werde. «Ein freier Wille der Parteien, eine Streitigkeit vor den Cas zu bringen, ist nicht ohne Weiteres erkennbar», hieß es in ihren Ausführungen. 

Das sei ein entscheidender Unterschied zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit, bei der Parteien ebenfalls selbst festlegen, wer über Streitigkeiten zwischen ihnen entscheiden soll. Die Einschätzung von Generalanwältinnen und Generalanwälten ist nicht bindend, das Gericht folgt ihr aber oft. 

Welche Erwartungen an das Urteil gibt es?

«Auf jeden Fall muss sich die Sportwelt bewegen», sagt die Sportrechtsanwältin Anne Jakob, die auch Präsidentin der International Sports Lawyers Association ISLA ist. Aus ihrer Sicht müssen Regelwerke der Sportverbände überarbeitet werden, um gleiche Voraussetzungen zwischen Sportlerinnen und Sportlern sowie Vereinen und den Verbänden herzustellen. Je nach Ausgang könnte der EuGH mit der Entscheidung «erheblichen Druck» auf die Sportverbände ausüben.