Isabell Werth gehört bei der EM zu den Favoritinnen.

Isabell Werth besitzt nicht nur im Dressurviereck gute Nerven. Mit größtmöglicher Gelassenheit sagt die erfolgreichste Reiterin der Welt bei passender Gelegenheit: «Wer noch keinen Shitstorm erlebt hat, ist nur noch nicht lange genug dabei.» Aber in den Wochen vor der nun beginnenden Europameisterschaft brauste ein besonders heftiger Sturm mit negativen, teils beleidigenden Internet-Kommentaren über sie hinweg.

In die Kritik geriet Werth, weil sie ihre Zusammenarbeit mit dem dänischen Reiter und Pferdehändler Andreas Helgstrand ausbauen wird. Der Däne ist in der Szene nicht unumstritten, an den Olympischen Spielen in Paris im vorigen Sommer durfte er wegen einer Sperre nicht teilnehmen.

Schwere Vorwürfe gegen Geschäftspartner

Nach der Ankündigung der erweiterten Zusammenarbeit mit Helgstrand vor rund zwei Wochen braute sich der Shitstorm zusammen, der vor allem über Werths Instagram-Seite zog und sich noch immer nicht vollständig gelegt hat. Vorgeworfen wurde der Rekordreiterin unter anderem, «dass Sie mit einem bekannten Täter systematischer Tierquälerei» zusammenarbeite und ihn bereichere.

Werth sah sich gezwungen, darauf zu reagieren. Sie veröffentlichte ein Statement auf dem Internetportal und positionierte sich eindeutig. «Es hat viele sachliche, kritische und negative wie positive Kommentare gegeben», sagt die Rekordreiterin: «Aber es hat leider auch viele Kommentare gegeben, die die Grenze überschritten haben, was akzeptabel ist.»

Weiter sagt Werth: «Viele junge Menschen, die im Netz mit derartigen Äußerungen und Hasstiraden überhäuft oder konfrontiert werden, haben damit ernsthafte Probleme und verzweifeln daran, einige zerbrechen daran.» Sie betont: «Das tue ich sicher nicht!»

Werth fordert «gewisses Maß an Anstand»

Die sonst fast immer fröhliche Werth scheint um Fassung zu ringen, als sie sich mit einem Appell an die Kritikerinnen wendet: «Ich bitte nicht nur darum, sondern ich erwarte von Ihnen, von Euch, dass Ihr Euch in einer angemessenen Art und Weise, gerne auch kritisch, zu diversen Themen äußert und akzeptiert, dass ein gewisses Maß an Anstand und Wording geboten ist, um miteinander zurechtzukommen.» Daraufhin bekam sie – neben negativem – auch sehr viel positives Feedback.

Zu dieser Geschichte gehört, dass Werth schon länger mit dem Dänen geschäftlich verbunden ist und die Verflechtungen jetzt nur intensiviert werden. Helgstrand verlegt zum 1. Januar 2026 den Deutschlandsitz seines Unternehmens vom Gestüt Famos im niedersächsischen Syke auf Werths Anlage in Rheinberg. 

«Kein neues Phänomen»

«Seit mehreren Jahren befinden sich in meinem Stall auch Pferde von Andreas Helgstrand», erklärt Werth: «Das ist kein neues Phänomen, sondern eine bereits seit Jahren bestehende Zusammenarbeit. Neu dagegen ist, dass ich meinen Betrieb um eine Hengststation erweitern werde.» Auf diese ziehen im neuen Jahr Pferde von Helgstrand Dressage.

In den kommenden Tagen treffen die Geschäftspartner als Konkurrenten aufeinander. Beide reiten bei der EM im französischen Crozet. Zur Teamwertung am Mittwoch und Donnerstag sagte Bundestrainerin Monica Theodorescu: «Diese Goldmedaille ist das Ziel.»

Offene Wunden vom Sporeneinsatz und Striemen von Gerten 

Bei den Dänen darf Helgstrand wieder mitreiten, nachdem er für Olympia in Paris gesperrt war. Hintergrund waren Aufnahmen aus einer Halle seines Handelsstalls in Dänemark, die der Sender TV2 ausgestrahlt hatte. Gezeigt wurden unter anderem Pferde mit offenen Wunden vom Sporeneinsatz und Striemen von Gerten sowie aggressives Reiten.

«Als ich die Videoclips gesehen habe, war ich selbst geschockt. Das war sehr traurig zu sehen», sagte Helgstrand damals in einem Video auf seiner Internetseite. «Ich werde alles tun, dass es nicht wieder passiert.» Er selbst war auf den TV2-Bildern nicht zu sehen, es waren Mitarbeiter seines Stalls. Der dänische Verband schloss den Reiter trotzdem für einige Zeit vom Nationalteam aus.

Das bis dahin von Helgstrand gerittene Pferd Wendy übernahm dann Werth. In Paris gewann sie mit der Stute Team-Gold und Einzel-Silber. Und mit Wendy will die 56-Jährige nun bei der EM ihrer imposanten Medaillensammlung weiteres Edelmetall hinzufügen.