Der Fanclub der Füchse Berlin ist laut. Ohne Ohrenstöpsel hält man es im unmittelbaren Umkreis der Anhänger des deutschen Handball-Meisters kaum aus. Dazu ist der Fanclub aber auch eines: alt. «Wir haben etwa 210 Mitglieder. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 60. Nur rund 25 Mitglieder sind jünger als 30. Es wird schwieriger, junge Mitglieder zu finden», berichtete Fanclub-Vorsitzende Anja Konopinski der Deutschen Presse-Agentur. Andere Bundesliga-Clubs berichten von einer ähnlichen Entwicklung.
Handball-Ikone Stefan Kretzschmar fordert immer wieder, den Sport für junge Menschen attraktiver zu machen. «Wir müssen uns weiterentwickeln, wenn wir noch in 20 Jahren relevant sein wollen. Wenn wir die Transformation der Digitalisierung nicht hinbekommen, wenn wir die Entertainment-Faktoren der jungen Generation weiterhin ignorieren, dann werden wir in ein paar Jahren ein Problem haben», warnte der frühere Füchse-Sportvorstand zuletzt in der «Sport Bild».
Studie: Über 20 Millionen Handball-Interessierte
Die Zahlen sprechen allerdings nicht für eine akute Krise. Handball zählt zu den beliebtesten Hallensportarten in Deutschland. Die Trommeln sind laut, die Arenen gut gefüllt. Laut einer Studie der Sportmarketingagentur ONE8Y im Auftrag des Streamingdienstes Dyn – die Studie liegt der dpa vor – gibt es in Deutschland 23 Millionen Handball-Interessierte. 52 Prozent der Fans aus der Gen-Z-Zielgruppe – also die Jahrgänge 1997 bis 2012 – geben demnach an, dass ihr Interesse in den vergangenen drei Jahren entstanden ist.
«Zunächst einmal könnte man sagen: Es ist egal, ob da Junge oder Alte sitzen, Hauptsache, die Hallen sind voll. Aber ich sehe momentan keinen Grund zur Beunruhigung, zumal wir unser Marketing mit modernen Methoden gerade für die jüngere Zielgruppe erheblich verstärkt haben», sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann der dpa.
HBL: Fanzuwachs auf TikTok, Youtube und Instagram
Auch die Bundesliga blickt gelassen in die Zukunft. «Unsere Zielgruppe wird jünger. Das Durchschnittsalter der Handball-Fans sinkt, der Anteil jüngerer Menschen steigt», berichtete HBL-Sprecher Oliver Lücke. Gründe dafür sieht er unter anderem in einer moderneren TV-Produktion, in den Erfolgen der Nationalteams und im wachsenden Event-Charakter von Spielen und Turnieren.
Vor allem über digitale Formate erreicht die HBL nach eigenen Angaben mittlerweile verstärkt die Generation Z. Demnach konnte man bei TikTok in den vergangenen zwei Saisons einen Follower-Zuwachs von 30 Prozent verzeichnen. Auf Instagram liege das Wachstum bei 27 Prozent, auf YouTube sogar bei 52 Prozent. «Der Handball gewinnt junge Zielgruppen hinzu», schlussfolgerte Lücke.
Mit dem Streamingdienst Dyn verfüge die HBL zudem über einen Medienpartner, der mit einem jungen Kommentatoren-Team gezielt ein jüngeres Publikum anspreche. Einschaltquoten veröffentlicht Dyn ebenso wenig wie Abonnentenzahlen.
Wie alt ist der TV-Zuschauer im Handball?
Studien zeigen, dass das lineare Fernsehen in Deutschland vor allem ein älteres Publikum erreicht. Handball-Übertragungen bilden dabei keine Ausnahme – auch wenn Live-Sport im Vergleich zu anderen Formaten überdurchschnittlich viele jüngere Zuschauer anzieht. «Handball ist eine traditionelle Sportart. Bei großen Turnieren schauen auch die Jungen zu, bei Einzelspielen eher nicht», sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Die Altersverteilung sei beim Handball «ähnlich wie bei anderen Sportarten», erklärte ZDF-Sportchef Yorck Polus.
So verfolgten zuletzt fast sechs Millionen ARD-Zuschauer das WM-Finale der DHB-Frauen – davon 1,27 Millionen im Alter zwischen 14 und 49 Jahren.
Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele. Im November sahen rund 2,4 Millionen Menschen im ZDF das Spiel der Männer gegen Island. Von ihnen waren 351.000 zwischen 14 und 49, weitere 522.000 zählten zur Gruppe der 50- bis 59-Jährigen. Geht man nicht davon aus, dass außergewöhnlich viele Kinder unter 14 Jahren zugesehen haben, bedeutet das: Etwa zwei Drittel des Publikums waren 60 oder älter.
Wie wichtig sind Handball-Influencer?
Kretzschmar wünscht sich mehr Handball-Influencer oder Streamer bei Twitch, um noch mehr junge Menschen zu erreichen. «Wir müssen ebenfalls mehr Lifestyle in unseren Sport bringen», forderte der 52-Jährige und appellierte an die Spieler, ihren Beitrag zu leisten: «Mehr Social Media, eigene Podcasts und allgemeine Formate».
Nach Angaben der Sportmarketingagentur ONE8Y empfinden etwa 50 Prozent der Handball-Fans in der Generation Z Testimonials als wichtig für ihr Interesse an der Sportart. Das Problem: Noch fehlt es an Persönlichkeiten, die über die Grenzen des Handballs hinaus Strahlkraft entfalten.
«Wir überzeugen immer noch mehr durch Authentizität, Arenaerlebnisse und Werte und weniger durch überregional wahrnehmbaren Starkult unserer Spieler», erklärte HBL-Sprecher Lücke. Man wünsche sich mehr Handballer, die die Rolle des Influencers und auch Markenbotschafters wahrnehmen.
Zwar ist Mathias Gidsel als Welthandballer der aktuell beste Spieler der Welt, außerhalb der Handball-Blase ist sein Bekanntheitsgrad jedoch gering. Fragt man Passanten auf der Straße nach deutschen Nationalspielern, würden wohl – wenn überhaupt – Namen wie Andreas Wolff oder Juri Knorr fallen. Aber sonst?

