Laura Siegemund darf jubeln.

Laura Siegemund ließ den Schläger fallen und hüpfte ungläubig auf und ab. Die 37 Jahre alte Doppelspezialistin hat in Wimbledon eine große Sensation geschafft und erstmals in ihrer Karriere das Achtelfinale beim Rasen-Klassiker erreicht. Siegemund bezwang die Australian-Open-Siegerin Madison Keys aus den USA in der dritten Runde durch eine taktische Meisterleistung mit 6:3, 6:3. Die Schwäbin entnervte die favorisierte Weltranglistenachte mit ihrem variablen Spiel und zahlreichen Stoppbällen.

Innig umarmte sie nach dem Triumph ihren Freund und Trainer Antonio Zucca. «Ich bin wirklich glücklich. Es war nicht einfach, es war wirklich windig», sagte Siegemund, die nur gegen Ende der Partie kurz ins Zittern geriet. «Wenn du in dem Moment keine Nerven zeigst, bist du vermutlich tot. Es ist eine Chance, es gibt keinen Druck für mich. Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, dass ich nur für mich spiele. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen.»

In der Runde der besten 16 darf sich die Weltranglisten-104. nun auch gegen Solana Sierra gute Chancen ausrechnen. Die Argentinierin war eigentlich bereits in der Qualifikation gescheitert, rückte aber als Lucky Loserin ins Hauptfeld. Für Siegemund war es nach dem Zweitrunden-Erfolg über die Kanadierin Leylah Fernandez der zweite Sieg über eine gesetzte Spielerin.

Preisgeld von knapp einer Viertelmillion britischer Pfund

Sie sicherte sich als letzte verbliebene deutsche Tennisspielerin im Einzel auch 240.000 britische Pfund (278.000 Euro). Mit 37 ist sie die älteste Spielerin im Achtelfinale. Siegemund ist erst die sechste Spielerin in der Geschichte des Profitennis, die dies in Wimbledon in diesem Alter erreicht hat. Auf dieser Liste stehen nur die ganz Großen: Billie Jean King, Virginia Wade, Martina Navratilova, Venus und Serena Williams.

Sie dürfe ihre Gegnerin mit den mächtigen Grundschlägen nicht «an den Drücker kommen lassen», hatte Siegemund angekündigt. Und die Schwäbin setzte den Plan sofort um. Mit stetigem Wechsel des Tempos, eingestreuten kurzen Bällen und geblockten Returns versuchte sie, Keys immer wieder aus dem Rhythmus zu bringen.

Ein Teil der Taktik habe sie sich von Tatjana Maria abgeschaut, die Keys auf dem Weg zum Turniersieg beim Vorbereitungsturnier von Queen’s bezwungen hatte. «Ich habe von der Tadde gelernt», sagte Siegemund bei Prime Video. «Da hat sie geschnipselt, was das Zeug hält, das tut ihr schon weh.»

Favorisierte Gegnerin entnervt

Mit dem Rezept holte sich Siegemund das erste Break der Partie zum 2:1 und ließ sich auch vom eigenen Aufschlagverlust nicht aus dem Konzept bringen. Keys wirkte mehr und mehr entnervt, machte leichte Fehler. Nach 48 Minuten segelte ein Ball der an Nummer sechs gesetzten Spielerin ins Netz, mit einem lauten «Come on» feierte sie den Satzgewinn.

Zu Beginn des zweiten Durchgangs kassierte Siegemund ein Break – zeigte sich aber erneut unbeeindruckt. Vier Spiele in Serie holte sie und hatte beim Stand von 5:2 drei Matchbälle nacheinander. Keys bäumte sich noch einmal auf, doch nach 93 Minuten durfte Siegemund jubeln.

Drei Grand-Slam-Titel gewonnen 

Eigentlich ist Siegemund bei Grand Slams auf Doppel und Mixed spezialisiert, hält sich aber auch mit 37 noch auf Plätzen um die Top 100 in der Weltrangliste und hat damit einen Platz im Einzel garantiert. 

«Es ist schon heavy», sagte sie zu ihrem Pensum mit drei Wettbewerben in Wimbledon. «Doppel und Mixed nebenher zu schaukeln, ist ganz gut. Wenn man auch im Einzel steht, wird es schon viel. Aber ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass ich noch drin bin im Einzel. Ich nehme es gerne mit.»

Bei Grand-Slam-Turnieren feierte sie bislang drei Titelgewinne: Im Doppel gewann Siegemund 2020 die US Open an der Seite der Russin Vera Swonarewa. 2024 triumphierte sie bei den French Open mit Edouard Roger-Vasselin (Frankreich) und 2016 bei den US Open mit Ante Pavic (Kroatien) jeweils im Mixed. Auch in Wimbledon ist sie in allen drei Wettbewerben am Start.