Karina Schönmaier warf Kusshände ins Publikum und strahlte über das ganze Gesicht. Die 19 Jahre alte Chemnitzerin gewann bei den Turn-Europameisterschaften in Leipzig den Titel am Sprung und feierte damit nach Silber im Team und Gold im Mixed ihre dritte Medaille. Sie ist damit aus dem Schatten des verletzten Jung-Stars Helen Kevric getreten. Mit 13,983 Durchschnittspunkten für zwei Sprünge übertraf sie dabei ihre 13,833 Zähler als Beste der Qualifikation noch einmal um 0,15 Punkte.
«Es war ein wahnsinniges Gefühl. Ich hätte niemals damit gerechnet, dort zu stehen – und dass die Hymne für mich gespielt wird. Es war einfach alles wie im Traum. Es ist ein sehr, sehr großes Geschenk für mich», sagte sie nach der Siegerehrung. Es sei «ein geiles Gefühl».
Als Zweite startete sie ins Finale und musste danach warten, bis ihre sechs weiteren Konkurrentinnen fertig waren. Es sei nervenaufreibend gewesen, warten zu müssen, ob es reiche oder nicht. «Ich konnte einfach nur vor Freude weinen, mir kamen einfach nur die Tränen», erzählte sie über den Moment der Erlösung.
Für ihre Einzelsprünge erhielt sie die Noten 14,066 und 13,500. Es ist der erste EM-Titel im Sprung für eine deutsche Turnerin seit Oksana Chusovitina 2008. Zweite wurde die Bulgarin Walentina Georgiewa mit 13,900 Gesamtpunkten. Rang drei sicherte sich Lisa Vaelen aus Belgien mit 13,666.
Aufschwung durch Wechsel nach Chemnitz
Schönmaier war erst nach dem Amtsantritt von Gerben Wiersma im März 2022 und auf seine Anregung hin von Bremen nach Chemnitz gewechselt. Er habe gesagt, sie müsse an einen Bundesstützpunkt, weil die Bedingungen dort viel besser seien. Da gebe es Trainer, die in Vollzeit mit ihr arbeiteten, berichtete der Niederländer.
«Ich bin so glücklich darüber, wie sie sich entwickelt hat», sagte Wiersma. In Chemnitz wird sie von Anatol Ashurkov und Tatjana Bachmayer betreut. «Sie hat heute ihre besten Sprünge gezeigt. Ich bin wirklich stolz auf meine Athletin», sagte Ashurkov.
Insbesondere an ihrem Paradegerät Sprung ist der Aufschwung sichtbar. Nachdem die 19-Jährige im vergangenen Jahr bei der EM im italienischen Rimini Fünfte war, hat sie weiter an ihrer Übung gefeilt. Lohn dafür war unter anderem, dass sie in der Leipziger Qualifikation mit der Durchschnittsnote 13,833 für ihre zwei Sprünge den höchsten Wert aller 24 Teilnehmerinnen erzielte. Sie sei halt sehr sprungkräftig, nannte sie ihre Stärke.
Anschließend entwickelte sich die Heim-EM für Schönmaier zu einem traumhaften Erlebnis. Der Silbermedaille im Mannschafts-Mehrkampf folgte dann zusammen mit Timo Eder (Ludwigsburg) Gold bei der Premiere des Mixed-Finals. «Das ist krass», sagte die Chemnitzerin. Europameisterin höre sich unrealistisch an, «aber es ist wahr».
Die Sieger der anderen Finals
Die anderen Medaillen am ersten Tag der Geräte-Finals wurden ohne deutsche Beteiligung vergeben. Helen Kevric (Stuttgart), die sich als Beste für den Endkampf am Stufenbarren qualifiziert und damit beste Aussichten auf einen Podiumsplatz hatte, war wegen ihrer schweren Verletzung am linken Knie am Vortag wegen weiterer medizinischer Untersuchungen in Stuttgart von den EM abgereist. In Abwesenheit der 17-Jährigen gewann die Belgierin Nina Derwael mit 14,466 Punkten.
Bei den Männern gewann Luke Whitehouse zum dritten Mal hintereinander den Titel am Boden und vollendete mit 14,500 Punkten das Triple. Am Pauschenpferd triumphierte Hamlet Manukyan aus Armenien mit 14,766 Zählern. Und an den Ringen siegten gemeinsam mit jeweils 14,400 Zählern Titelverteidiger Eleftherios Petrounias (Griechenland) und Mehrkampf-Europameister Adem Asil (Türkei).