Die Euphorie in Edmonton ist riesig und die Zuversicht auf den ersten Stanley-Cup-Triumph für Leon Draisaitl so groß wie nie. Gelingt dem inzwischen 29 Jahre alten Ausnahmestürmer der Edmonton Oilers die ersehnte Krönung seiner Karriere? «Die ganze Stadt ist seit Wochen im Ausnahmezustand. Die Oilers bedeuten hier alles», sagte der Weltklasse-Stürmer vor dem Start der NHL-Finalserie gegen Titelverteidiger Florida Panthers in der deutschen Nacht zum Donnerstag (02.00 Uhr MESZ/Sky). 

Bei Draisaitl kommen sogar Heimatgefühle auf. «Die Stimmung in der Halle ist fantastisch, es gibt fast keinen Zuschauer, der ohne Trikot zum Spiel kommt, viele sind kostümiert wie in Köln zu Karneval», sagte der gebürtige Kölner. 

Für den NHL-Torschützenkönig würde wohl erst der Gewinn der wichtigsten Eishockey-Trophäe der Welt die Aufnahme in den Sport-Olymp bedeuten. «Für den Titel würde ich alle persönlichen Erfolge hergeben», sagte Draisaitl einmal.

Bei allen persönlichen Auszeichnungen: Der Stanley Cup fehlt

Und in dieser Hinsicht hat er viel erreicht. Als erster Deutscher überhaupt wurde er 2020 «wertvollster Spieler» (MVP) der NHL. Draisaitl ist bester Saison-Torschütze in der Liga und wurde 2020 Sportler des Jahres in Deutschland – was kaum einem Mannschaftssportler gelingt. Aber den knapp 16 Kilogramm schweren Stanley Cup stemmte er bislang noch nie in die Höhe. 

Auch Dirk Nowitzki wurde erst 2011 mit dem Gewinn der NBA-Meisterschaft zur Basketball-Ikone. Der Würzburger zog seine Kraft aus der schmerzhaften Final-Niederlage mit Dallas fünf Jahre zuvor. Draisaitl erlebte seine bislang größte Enttäuschung im Vorjahr, als er sich im Finale gegen Florida verletzt über das Eis schleppte, kaum schießen konnte und seine Oilers in sieben Spielen verloren. «Natürlich ist es schön, die Chance zu haben, sich zu rächen», sagte Draisaitl nun. 

Draisaitl auf Gretzkys Spuren

In Edmonton werden angesichts der seltenen Konstellation Parallelen zu anderen Eishockey-Weltstars gezogen. Erst zum dritten Mal binnen der vergangenen 43 Jahre kommt es in der NHL zur Neuauflage des vorherigen Endspiels. 1984 krönte sich ein gewisser Wayne Gretzky mit den Oilers gegen die New York Islanders zum Champion, nachdem die Islanders im Jahr zuvor Edmonton noch besiegt hatten.

Und Draisaitl ist nicht der einzige Super-Stürmer, der bei den Oilers auf den Stanley-Cup-Sieg wartet. Auch der geniale Teamkapitän Connor McDavid ging bislang leer aus. Bei der bislang letzten NHL-Final-Revanche vor 16 Jahren gewann Pittsburgh mit den Topstars Sidney Crosby und Jewgeni Malkin gegen Detroit, das 2008 gegen Pittsburgh gewonnen hatte.

Nun könnten Draisaitl und McDavid dasselbe schaffen. «Man kann alles richtig machen und sie trotzdem nicht stoppen», warnte Floridas Trainer Paul Maurice bereits. Aus gutem Grund. Die Vorzeichen für einen Triumph der Oilers stehen in diesem Jahr besser denn je.

Einiges spricht für die Oilers in diesem Jahr

Anders als im Vorjahr ist Draisaitl diesmal in Top-Form. Was der Kölner auch in dieser Spielzeit leistet, lässt sich in Zahlen ablesen: In vier aufeinanderfolgenden Jahren kommt er nun auf jeweils mindestens 130 Scorerpunkte inklusive der Playoffs. Vor ihm gelang das nur sechs anderen Spielern in der NHL-Historie. 

Wie kaum ein anderer schafft es Draisaitl zudem, in besonderen Spielen seine Leistung noch einmal zu steigern. Dies gilt auch für seine gesamten Fähigkeiten Jahr für Jahr. In den Playoffs überzeugte der nach McDavid (26 Punkte) zweitbeste NHL-Scorer (25) sogar defensiv, was nie zu seinen Stärken zählte. «Ich will gewinnen und werde alles dafür tun. Meine Statistiken sind für mich zweitrangig, solange wir das Team sind, das am Ende übrig ist», sagte Draisaitl.

Aktuell erscheint das gesamte Team in Bestform. Von den vergangenen 14 Playoff-Spielen gewannen die Oilers zwölf und schalteten in Las Vegas und Dallas zwei Topteams souverän aus. «Vielleicht hilft es auch, dass wir in den diesjährigen Playoffs noch nicht diese eine emotional ermüdende, sehr enge Serie hatten, so wie im letzten Jahr gegen Vancouver, und jetzt zwischen den Runden immer ein paar spielfreie Tage hatten», befand Draisaitl.

In diesem Jahr hat Edmonton zudem Heimvorteil. Die ersten beiden Spiele der Best-of-seven-Serie am Donnerstag- und Samstagfrüh deutscher Zeit finden in Kanada statt. Anders als im Vorjahr hätten die Oilers auch in einem entscheidenden siebten Spiel diesmal Heimrecht.

Ein Deutscher siegt am Ende auf jeden Fall

Draisaitl wäre nach Uwe Krupp, Dennis Seidenberg, Tom Kühnhackl, Philipp Grubauer und Nico Sturm der sechste Deutsche, der den Stanley Cup gewinnt. Ein Deutscher wird am Ende in jedem Fall gewinnen: Bei den Panthers steht im 30 Jahre alten Sturm seit den Playoffs auch ein deutscher Nationalstürmer zumindest im Kader. Das zuverlässige Arbeitstier wurde in den Conference-Finals gegen Carolina indes nicht gebraucht. Ob er im Finale ins Line-up zurückkehrt, ist unklar. Der Augsburger hatte bereits 2022 mit Colorado den Stanley Cup gewonnen.