Den Auftakt in der WM-Qualifikation hatten sich Joshua Kimmich und Co. anders vorgestellt.

Sichtlich angeschlagen stapfte Julian Nagelsmann über den Rasen von Bratislava, diese Niederlage war auch ein Wirkungstreffer für den Bundestrainer. Von wegen große Titelträume, es war ein krachender Fehlstart für die total verunsicherte Fußball-Nationalmannschaft. Mit dem 0:2 (0:1) in der Slowakei ist das DFB-Team auf dem Weg zur WM 2026 gleich beim ersten Schritt ganz böse ausgerutscht. Der Griff nach dem goldenen WM-Pokal ist so nur kühnes Wunschdenken. 

«Bei der Emotionalität war uns der Gegner meilenwert von der ersten bis zur letzten Minute überlegen. Das ist Fakt. Erschreckenderweise kommt obendrauf, dass so ein Gegner mit mehr Emotionalität auch fußballerisch deutlich mehr Qualität auf den Platz bringt wie wir», sagte Nagelsmann bei der ARD und war sichtlich verärgert: «Generell sollte bei jedem angekommen sein, dass wir zur WM wollen.» Er habe die besten Spieler aus Deutschland ausgewählt. «Vielleicht müssen wir auf weniger Qualität setzen, sondern auf Spieler, die alles reinwerfen. Das hätte heute zu einem besseren Ergebnis geführt», monierte Nagelsmann.

Von Nagelsmanns großem Dominanz-Versprechen war im Nationalstadion nämlich nichts zu sehen. Stattdessen setzte es durch die Tore von David Hancko (42. Minute) und David Strelec (55.) die erste Auswärtsniederlage in einem WM-Qualifikationsspiel überhaupt für eine DFB-Elf. 

Kapitän Joshua Kimmich schlug bereits Alarm. «Wir brauchen nicht über System, Taktik, Viererkette, Dreierkette sprechen. Das ist einzig und allein eine Einstellungssache. Das war auch in den letzten Spielen unser Problem», sagte der Bayern-Profi: «Wenn wir so auftreten wie heute, wird es nichts mit der Qualifikation.»

Sorgen um WM-Teilnahme

In der Gruppe A laufen Kapitän Joshua Kimmich und seine Kollegen nun den Slowaken hinterher. Schon am Sonntag (20.45 Uhr RTL) in Köln muss gegen Nordirland ein überzeugender Sieg her, sonst könnt sogar das fest eingeplante direkte Ticket für das Mammut-Turnier im kommenden Sommer in Amerika in Gefahr geraten. Experte Bastian Schweinsteiger machte sich bereits Sorgen um die WM-Teilnahme: «Wenn wir so spielen wie heute, vielleicht kommen wir irgendwie dahin, aber dann kommst du dort nicht weit.» 

Auch Nagelsmann sieht den Ernst der Lage: «Wir müssen alle fünf Spiele gewinnen, auch gegen die (Slowaken) – und zwar deutlich. Sonst spielen wir im März Playoffs.»

Die Mängelliste, die der Bundestrainer aus der Slowakei mitbringt, ist lang. In der Defensive fahrig und mit Tempo leicht auszuspielen, offensiv ohne Ideen und Durchschlagskraft. Erstmals verlor die Nationalmannschaft unter Nagelsmann drei Spiele in Folge. Die vielen Ausfälle von Jamal Musiala bis Kai Havertz können keine Ausrede sein.

«Wir haben verdient verloren. Das kann man auf keinen Fall leugnen. Es war ein sehr, sehr schwaches Spiel von uns», sagte Jonathan Tah und fand keine Erklärung für das Spiel: «Es gibt Momente, wo du vielleicht müde bist. Es hat aber einfach an ein bisschen mehr gefehlt als nur Müdigkeit. Das müssen wir aufarbeiten. Da müssen wir ehrlich mit uns sein. Es war für uns alle überraschend, dass das Spiel so gelaufen ist. Das ist nicht unser eigener Anspruch.»

Schwaches Debüt von Collins

Die deutsche Mannschaft präsentierte sich vor 20.013 Zuschauern völlig von der Rolle, vor allem die Defensive wackelte bedenklich. Dabei erwischte der Frankfurter Debütant Nnamdi Collins rechts in der Viererkette einen ganz schwachen Tag und wurde von seinem Gegenspieler ein ums andere Mal düpiert.

Aber auch das Offensivspiel lahmte. Die besonderen Momente von Jungstar Florian Wirtz blieben überschaubar. Wie schon in Liverpool wirkte der Ex-Leverkusener auch im DFB-Trikot gehemmt. Dazu war es sein Ballverlust, der den hochverdienten ersten Gegentreffer einleitete. Auch die Rückkehr von Joshua Kimmich ins Mittelfeld brachte nicht die erhoffte Stabilität.

Slowaken mit Chancenwucher

Schon nach 75 Sekunden hatten die Slowaken die große Chance zur Führung, als nach einer Hereingabe von Ex-Bundesligaprofi Ondrej Duda die beiden Innenverteidiger Lubomir Satka und Milan Skriniar im Fünfmeterraum den Ball nur um Zentimeter verpassten.

Und auch die nächsten Top-Chancen gehörten den Gastgebern. Dabei parierte Oliver Baumann, der bis zur Rückkehr von Marc-André ter Stegen die deutsche Nummer eins ist, glänzend gegen Leo Sauer (21.). Die anschließende Ecke setzte Duda an den Außenpfosten (22.), ehe Sauer erneut Collins entwischte und aus spitzem Winkel zum Abschluss kam (23.).

Die von Nagelsmann geforderte Dominanz war gegen die griffigen Slowaken nicht zu erkennen, entsprechend war der Bundestrainer im weißen Polo-Shirt auf der Bank restlos bedient. Das hatte sich der 38-Jährige ganz anders vorgestellt. Zwar sorgte Maximilian Mittelstädt für den ersten Torabschluss (24.), doch quasi im Gegenzug herrschte in der Abwehr wieder Alarm. Dieses Mal ließ sich Antonio Rüdiger von Sauer düpieren, sein Schuss wurde aber von Verteidiger-Kollege Jonathan Tah abgeblockt (27.).

Nur eine Torchance in der ersten Halbzeit

Die einzige echte Torchance in den ersten 45 Minuten hatte Wirtz nach einem starken Ballgewinn des Stuttgarters Angelo Stiller, doch Martin Dubravka war zur Stelle (32.). Es hätte den Spielverlauf gegen den Weltranglisten-52. auch auf den Kopf gestellt. So war der Führungstreffer für die Slowaken auch überfällig. Die Fehlerkette begann bei Wirtz und endete beim indisponierten Rüdiger, als David Strelec und Hancko mit einfachen Mitteln die deutsche Defensive aushebelten. 

Es war der Tiefpunkt der schlechtesten Halbzeit in der Ära Nagelsmann. So konnte es nicht weitergehen. Der überforderte Collins blieb in der Kabine, dafür kam der Leipziger David Raum ins Spiel, der aber mit Mittelstädt die Seite tauschte. Wirklich besser wurde das deutsche Spiel trotzdem nicht, mal abgesehen von der Torchance von Leon Goretzka (47.).

Denn das Abwehr-Torso um den überforderten Rüdiger war bedenklich. Ließ Strelec mit einem unplatzierten Schuss das zweite Tor erst noch liegen (54.), machte es der Mann vom FC Middlesbrough eine Minute später besser, als er Rüdiger austanzte und den Ball in den Winkel setzte.

Nagelsmann brachte in Nadiem Amiri und Karim Adeyemi weitere Offensivkräfte, doch auch das verpuffte. Im Sturmzentrum blieb 85-Millionen-Mann Woltemade ohne Durchschlagskraft. Niclas Füllkrug hätte helfen können, doch der EM-Stürmer musste wegen einer Wadenverletzung kurzfristig passen. Eine echte Drangphase blieb auch aus. Der konsternierte Bundestrainer verfolgte mit verschränkten Armen die letzten Minuten.