Wie lange darf Xabi Alonso noch auf der Real-Bank sitzen?

Die gellenden Pfiffe der frustrierten Madridistas klangen auch Xabi Alonso noch lange in den Ohren. «Wir verstehen es und akzeptieren es», sagte der Trainer von Real Madrid kleinlaut. Der unüberhörbare Unmut der erfolgsverwöhnten Fans nährt die Zweifel an Alonsos Zukunft bei den Königlichen. Die Spieler stärkten ihm nach dem 1:2 daheim in der Champions League gegen Manchester City zwar demonstrativ den Rücken. Doch bei Real zählen nur Ergebnisse – und deswegen droht dem früheren Meistercoach von Bayer Leverkusen nach rund einem halben Jahr schon das Aus in Madrid. 

«Es geht ums Team, um die Spieler und wie ich ihnen helfen kann. Es geht nicht um mich», sagte Alonso angesprochen auf seine persönliche Situation nach nur zwei Siegen aus den vergangenen acht Partien: «Ich mache mir Sorgen um unser nächstes Spiel.» Sollte der 44-Jährige im Auswärtsspiel am Sonntag bei Deportivo Alavés noch auf der Real-Bank sitzen dürfen, wäre es ohne Zweifel ein persönliches Endspiel für ihn.

Bellingham selbstkritisch: «Nicht unser Standard»

«Wir werden zurückkommen», versicherte Alonso: «Ich bin überzeugt davon, dass es besser wird.» Als Beleg dafür fügte er die Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit gegen Man City ohne den angeschlagenen Weltklasse-Stürmer Kylian Mbappé an.

Aber reicht das? Nein, meint Jude Bellingham. «Wir werden niemals glücklich sein mit einer guten Leistung bei einer Niederlage», sagte Englands Nationalspieler: «Das ist nicht der Standard dieses Clubs, das ist nicht der Standard, den wir selbst im Team haben.»

Die Pfiffe der Fans könne er absolut nachvollziehen, sagte Bellingham, «die Leute zahlen viel Geld, um uns spielen zu sehen, und wir spielen für den besten Verein der Welt». Und doch stimme ihn die Fan-Wut nachdenklich: «Heute hat sich etwas verändert, das spüre ich.»

Spieler nehmen Alonso in Schutz

Den Trainer nahm Bellingham, der während der Saison auch schon Unstimmigkeiten mit Alonso hatte, öffentlich in Schutz. «Der Trainer ist großartig», sagte der Offensivspieler und lobte das «sehr gute Verhältnis» zwischen Coach und Spielern. Und Torschütze Rodrygo, der nach seinem Treffer zum 1:0 demonstrativ mit Alonso gejubelt hatte, erklärte: «Ich wollte den Leuten zeigen, dass wir hinter unserem Trainer stehen.»

Die demonstrative Unterstützung der Mannschaft für Alonso kommentierte die Zeitung «Sport» jedoch wenig schmeichelhaft: «Seine Spieler stehen hinter ihm. Als ob alles, was von nun an passieren wird, bereits vorbestimmt und der Baske ein todkranker Mensch wäre, den man umsorgen muss.» Für das Real-nahe Blatt «Marca» ist Alonsos Lage ebenfalls höchst brenzlig: «Die Alarmstufe Rot ist aktiviert.»

Diese möglichen Nachfolger werden gehandelt

Dabei war zunächst vieles im grünen Bereich. Alonso übernahm das Traineramt bei seinem Ex-Club, mit dem er als Spieler große Erfolge gefeiert hatte, vor der Club-WM und startete mit einer famosen Siegesserie. Doch die mitunter als oberlehrerhaft abgestempelte Art Alonsos kam nicht überall gut an. Manche im Team wünschten sich Vorgänger Carlo Ancelotti und dessen lange Leine zurück. Seit dem 0:1 Anfang November gegen den FC Liverpool läuft nur noch wenig zusammen, die 0:2-Heimpleite am vergangenen Wochenende in der spanischen Liga gegen Celta Vigo war der Tiefpunkt.

Danach wurden in Medien schon mögliche Nachfolger für Alonso gehandelt, allen voran der frühere Real-Coach Zinédine Zidane, die Club-Ikone Raúl und der im Trainer-Ruhestand befindliche Jürgen Klopp. Dass er kritisiert und auch infrage gestellt werde, sei «keine Überraschung» für ihn, äußerte Alonso: «Ich bin nicht neu dabei.» 

Doch anders als in Leverkusen, als er nach einem bescheidenen Start voll durchstarten konnte, ist die Erwartungshaltung bei Real deutlich größer. Alonso muss nun liefern. Der nationale Titel ist bei nur vier Punkten Rückstand auf den FC Barcelona ebenso noch möglich wie ein Triumph in der Champions League. Doch aktuell scheint eine Trennung wahrscheinlicher.