Zwei deutsche Topstars: Jule Brand (l.) und die derzeit verletzte Giulia Gwinn.

Es könnte teuer werden für Clubs, die künftig nach Weltklasse-Fußballerinnen suchen. Sehr sogar. «Ich glaube, der Transfermarkt wird explodieren», sagt UEFA-Direktorin Nadine Keßler über die Zukunft des Frauenfußballs der dpa. «Es ist ein enormes, schnelles Wachstum. Ich weiß nicht, wann wir die 100-Millionen-Marke brechen, aber wenn das in dem Tempo so weitergeht, dann dauert es nicht allzu lang.» Der Markt entwickelt sich rasant – nicht nur zum Positiven hin.

«2018 wurde das Transfersystem bei der FIFA eingeführt. Und wir haben jetzt ein Wachstum ungefähr um das Zehnfache im Vergleich zu vor sieben Jahren», verdeutlicht Keßler. In diesem Sommer wechselten allein aus dem deutschen EM-Kader in Jule Brand, Sophia Kleinherne, Kathrin Hendrich, Stina Johannes, Sara Däbritz, Carlotta Wamser, Sydney Lohmann und Cora Zicai acht Spielerinnen den Club.

«Die Engländer haben Kohle»

Die Bereitschaft wächst, für Spielerinnen eine Ablöse zu zahlen – vor allem bei englischen Clubs. «Die Engländer haben Kohle, aber auch Clubs wie Galatasaray, Parma und Como investieren. Dort werden wohl gute Gehälter geboten», sagt Jasmina Covic, die als Chefin der Women’s Football Agency Nationalspielerin Laura Freigang betreut. In diesem Sommer sei für zwei WFA-Kickerinnen Ablöse gezahlt worden. «Das gab’s in den zehn Jahren davor nur einmal.»

Auch die Beraterbranche verändert sich rasant. «Vor zehn Jahren gab es in Europa weniger als zehn Berater, jetzt sind es allein in den Top-Ligen über 300 – mindestens», sagt Covic. «Es ist extrem viel Konkurrenz entstanden.» Was ihr auffällt: «Von 300 Beratern sind circa 295 männlich.» Covic ist laut eigener Aussage die einzige Frau an der Spitze einer Agentur.

«Mittlerweile haben alle Spielerinnen im Profibereich einen Berater. Das geht in den Top-Ligen wie England, Deutschland, Spanien und Frankreich runter bis zur U16», erzählt Covic. Jungstars wie die Schweizerin Sydney Schertenleib, Spaniens Vicky López (beide 18) oder Alice Sombath (21) von Deutschlands Viertelfinal-Gegner Frankreich deuten an, wie groß das Potenzial der lange Zeit belächelten Fußballerinnen ist. Das sehen auch internationale Spitzenteams.

Europas große Töpfe stehen außerhalb Deutschlands

«In Europa reden wir über große Töpfe bei Olympique Lyon, Paris Saint-Germain, FC Barcelona und bei englischen Topclubs. Real Madrid wird da auch noch einsteigen», erklärt Spielerinnen-Berater Jörg Neblung. Ex-Nationaltorhüterin Merle Frohms (Wolfsburg) und Däbritz (Lyon) wechselten in diesem Sommer zu den Königlichen. Außerhalb Deutschlands gehe es «um doppelt so hohe Verdienste», sagt Neblung. «Lyon kann auch mal das Dreifache bieten wie zum Beispiel der VfL Wolfsburg.»

Unter Neblungs Klientinnen sind Nationalspielerinnen wie Klara Bühl, Selina Cerci und Elisa Senß. Neblung zufolge hätte Offensivstar Bühl bei einem Wechsel ins Ausland das Doppelte verdienen können. Mehrere Topclubs seien interessiert gewesen. Darunter auch Barcelona. «Aber sie hat sich entschieden, vorerst in München zu bleiben.»

Keßler: «Wichtige Einnahmequelle»

Auf lange Sicht erwartet die Branche eine Entwicklung wie bei den Männern – horrende Ablösesummen inbegriffen. Ex-Weltfußballerin Keßler sieht darin Vor- und Nachteile. Für die Clubs seien die Summen in Zukunft «eine wichtige Einnahmequelle», das sei natürlich gut. Und auch, «weil alle Medien da gerne darüber berichten und es eine schöne Headline ist».

Gleichzeitig gelte Vorsicht. «Große Summen einfach nur zu bezahlen und durch die Presse zu jagen, gibt natürlich ein bisschen Aufmerksamkeit», warnt Keßler. «Aber am Ende des Tages müssen wir den Frauenfußball finanziell nachhaltig aufstellen, damit der auch in zehn Jahren noch da ist.» Ablösesummen sollten daher «im Verhältnis zur finanziellen Realität, in der diese Clubs agieren, stehen.»

Londoner Clubs tätigen Millionentransfers

Bislang sind zwei Transfers mit Ablösen von jeweils knapp über einer Million Euro in der Geschichte des Frauenfußballs bekannt: von der Kanadierin Olivia Smith vom FC Liverpool zu WFC Arsenal und der Amerikanerin Naomi Girma von San Diego zu Chelsea WFC, wo die neue DFB-Vizekapitänin Sjoeke Nüsken unter Vertrag steht. Dort kicken künftig auch das 19-jährige DFB-Talent Mara Alber aus Hoffenheim sowie die Schweizer EM-Torhüterin Livia Peng (zuletzt Werder Bremen). 

«Da ist plötzlich eine große Dynamik im Transfergeschäft», sagt Neblung. «Für die Zukunft ist auch nicht ausgeschlossen, dass Spielerinnen mit einem großen Vertrag für die Zukunft ausgesorgt haben.»

Covic: «Nur die Bayern haben dazu die Möglichkeiten»

Auch in Deutschland? Zumindest bis zum ersten Millionen-Wechsel werde es in der Bundesliga noch dauern, mutmaßt Covic. «Nur die Bayern haben dazu die Möglichkeiten – die versuchen aber oft, Spielerinnen ablösefrei zu bekommen. Ausnahme war Lena Oberdorf.» Die 23-Jährige kam 2024 für die deutsche Rekordablöse von 400.000 Euro vom VfL Wolfsburg, der seit Jahren Spitzenspielerinnen verliert. Eintracht Frankfurt geht es aktuell genauso.

Die Nachfrage treibt die Preise nach oben. «In Deutschland müssen wir schauen, dass wir die Lücken zu den internationalen Topvereinen nicht noch größer werden lassen. Zumal sich inzwischen auch Investoren bei den Frauen-Clubs einkaufen», sagt Neblung. Bestes Beispiel: die London City Lionesses. Michele Kang, die neben den Löwinnen noch Lyons Frauenteam und US-Club Washington Spirit besitzt, hat den Hauptstadt-Club gerade in Englands erstklassige Women’s Super League geführt.

Covic weist auf die Kehrseiten im gelobten Land des europäischen Frauenfußballs hin. Zwar sei alles pompös, «die Plätze vom Feinsten, eigene Köche für das Frauenteam. Viele Vereine bieten top Bedingungen». Dabei werde aber oft vergessen, «dass es auch einen top Staff und Führung braucht». Daran mangele es, auch am Menschlichen: «Es ist knallhart dort», meint Covic. Wer nicht funktioniere, sei gleich wieder weg: «Wie ein Produkt. Atmosphärisch ist es in England kälter als bei uns.»