Nachdem er das spanische Tennis-Wunderkind Carlos Alcaraz mit einer beeindruckenden Vorstellung entzaubert hatte, schrie Alexander Zverev seine Freude laut in den Pariser Nachthimmel.
Der 25 Jahre alte Olympiasieger gewann am Dienstag in Paris gegen den Senkrechtstarter der Szene überraschend mit 6:4, 6:4, 4:6, 7:6 (9:7) und steht damit bei den French Open wie im Vorjahr im Halbfinale. Zverev darf nun weiter vom ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere träumen.
Der gebürtige Hamburger verwandelte in einer hochklassigen Partie nach 3:18 Stunden seinen zweiten Matchball und trifft nun am Freitag auf Rekord-Grand-Slam-Turnier-Sieger Rafael Nadal. Der Spanier gewann am frühen Mittwochmorgen in einer brillanten Partie gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic aus Serbien mit 6:2, 4:6, 6:2, 7:6 (7:4). Nadal verwandelte um 1:15 Uhr nach 4:12 Stunden Spielzeit seinen vierten Matchball.
Siegesserie von Alcaraz gerissen
Zverev sagte im Sieger-Interview auf dem Platz: «Ich wusste, dass ich von Anfang an mein bestes Tennis spielen muss und ich habe es getan.» Er fügte hinzu: «Er (Alcaraz) wird dieses Turnier mehrere Male gewinnen. Ich hoffe, ich schaffe es, bevor er anfängt, uns alle zu schlagen.» Zverev war mit seiner Leistung hochzufrieden: «Vom Tennis her steht das im Ranking meiner Grand-Slam-Spiele mit Sicherheit ganz hoch.»
Für Zverev war es der erste Sieg gegen einen Top-Ten-Spieler bei einem der vier Grand-Slam-Turniere überhaupt. Und das auch noch gegen den Spieler der Stunde. Denn Alcaraz hatte zuvor 14 Spiele in Serie nicht verloren und vor den French Open die Turniere in Barcelona und Madrid gewonnen. Vor allem in der spanischen Hauptstadt hatte der Jungstar groß aufgetrumpft und nacheinander Nadal, Djokovic und im Finale Zverev geschlagen. Dort hatte der Deutsche beim 3:6, 1:6 nicht den Hauch einer Chance gehabt.
Im Stade Roland Garros sah das am Dienstag ganz anders aus. Zverev begann auf dem Court Philippe Chatrier hochkonzentriert und war im Vergleich zum schludrigen Auftritt gegen Alcaraz-Landsmann Bernabe Zapata Miralles im Achtelfinale nicht wiederzuerkennen. Die deutsche Nummer eins hatte vor dem Spiel Kritik an der Vorzugsbehandlung von Alcaraz durch die Veranstalter geübt.
Schon vor den French Open war aus dem Zverev-Lager zu hören gewesen, dass ihm der Hype um den jungen Spanier etwas zu viel geworden sei. Anscheinend zog Zverev genau daraus die nötige Motivation. «Er ist dieses frische, neue Gesicht im Tennis, das alle sehen wollen. Aber ich weiß, dass ich auch mit meinen alten 25 Jahren und auch, wenn mich viele irgendwie schon abgeschrieben haben, nicht nur auf den Platz gehe, um ein gutes Match zu spielen, sondern dass ich es gewinnen will», sagte Zverev.
Zverev beweist Nervenstärke
Zverev agierte deutlich aggressiver als in den Spielen zuvor und ließ Alcaraz so nicht sein gewohnt dominantes Spiel aufziehen. Zudem bewies er gleich zu Beginn Nervenstärke, als er in seinem ersten Aufschlagspiel einen Breakball des Spaniers abwehrte. Stattdessen nahm er Alcaraz wenig später selbst das Service ab und bestimmte fortan zur Verwunderung der Zuschauer das Geschehen. Alcaraz, jüngster Paris-Viertelfinalist seit 16 Jahren, begann dagegen, mit sich zu hadern, und leistete sich im ersten Durchgang insgesamt 16 vermeidbare Fehler. Nach 43 Minuten holte sich Zverev den ersten Satz.
Auch danach blieb Zverev erstaunlich stabil und überstand auch die brenzligen Phasen mit Bravour. Wieder wehrte er den ersten Breakball des Satzes ab und schaffte wenig später selbst das Break. Den dritten Satzball verwandelte er mit einem Ass.
Alcaraz verschwand danach erst einmal für ein paar Minuten in der Kabine. Doch auch nach seiner Rückkehr fand das Tennis-Wunderkind zunächst kein Mittel gegen den nahezu fehlerlos agierenden Zverev. Beim Stand von 4:4 vergab Zverev aber einen Breakball, das kam ihn teuer zu stehen. Denn wenig später nahm ihm Alcaraz wie aus dem Nichts den Service ab und holte sich den dritten Satz. Das Publikum tobte, Alcaraz tanzte jubelnd über den Platz.
Doch Zverev blieb beeindruckend ruhig. Im vierten Satz versuchte der sich nun steigernde Alcaraz, mehrmals das Momentum auf seine Seite zu ziehen. Doch Zverev hielt dagegen und schaffte dieses Mal das Break zum 5:4. Zum Sieg reichte das zunächst aber noch nicht, weil Alcaraz das Re-Break schaffte. Die Entscheidung musste so im Tiebreak fallen, wo Zverev einen Satzball abwehrte, um den Sieg wenig später perfekt zu machen. Der Rest war Freude pur.
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