Der rote Teppich für Sandro Schwarz war bei Hertha BSC schon lange ausgerollt. Mit einer Lobrede und einer moralischen Unbedenklichkeitserklärung angesichts der Russland-Vergangenheit des Trainers hatte Fan-Liebling Andrej Woronin die Ankunft des neuen Hoffnungsträgers vorbereitet.
Am 2. Juni konnte dann auch Fredi Bobic Vollzug melden und Schwarz nach seiner Ankunft aus Moskau begrüßen. Der 43 Jahre alte Schwarz soll als neuer Chefcoach – dem vierten innerhalb von zwölf Monaten unter Bobic als Geschäftsführer – die große Krise beim Berliner Fußball-Bundesligisten endlich beenden.
Schwarz: «Ich feue mich total darauf»
«Bei der Suche nach einem neuen Trainer für Hertha BSC standen für mich neben den fachlichen Qualitäten auch Begeisterungsfähigkeit, Leidenschaft und Emotionalität im Blickpunkt», sagte Bobic. Diese Eigenschaften habe Schwarz auf seinen bisherigen Stationen in Mainz und Moskau nachgewiesen. Schwarz muss sofort da weitermachen, wo Felix Magath in der Relegation beim rettenden 2:0 gegen den Hamburger SV aufgehört hatte. Endlich ein echtes Team bilden, im Westen der Hauptstadt. Sein Vertrag läuft vorerst bis Mitte 2024.
«Ich habe große Lust darauf, den Neustart bei Hertha BSC mitzugestalten. Der Verein hat eine schwierige Zeit hinter sich. Das mit Arbeit, Freude und viel Energie zum Positiven zu wandeln, darauf freue ich mich jetzt total», betonte Schwarz, der in der Bundesliga bislang nur den 1. FSV Mainz 05 von 2017 bis 2019 betreut hatte.
Gemeinsam mit Schwarz wurde Bobic auf dem Präsentationsfoto aber etwa nicht vor dem Hertha-Logo abgelichtet, sondern vor einem Bild mit einer vierspurigen Autobahn mit amerikanischem Flair und einem von der Sonne angestrahlten tiefblauem Gewässer. Zufall? Oder ein Symbolbild mit viel Interpretationsspielraum? In einer Medienrunde am 3. Juni steht Schwarz zunächst virtuell Rede und Antwort, offiziell vorgestellt wird der neue Trainer am 20. Juni. Dann wird die Hertha wohl auch das Training für die kommende Spielzeit aufnehmen.
Vorschusslob von Fan-Liebling Woronin
Fragen nach seiner Zeit in Russland wird Schwarz schnell bekommen. Im Gegensatz zu Daniel Farke (FK Krasnodar) und Markus Gisdol (Lokomotive Moskau) war er auch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in Moskau geblieben. Wie eine für die Fans kompatible Rechtfertigung klangen da am 31. Mai die auf der Hertha-Homepage platzierten Worte des Ukrainers Woronin, der bis Februar Dynamo-Co-Trainer unter Schwarz war.
«Er beschäftigt sich 24 Stunden am Tag nur mit Fußball. Sowas habe ich bisher nicht gesehen. Sandro möchte immer das Beste aus seiner Mannschaft rausholen», sagte der 42-Jährige. Und noch wichtiger: «Als Mensch und als Trainer hat Sandro alles richtig gemacht. Er hat gezeigt, dass es für ihn nicht nur um das Sportliche oder ums Geld ging, sondern darum, die Menschen vor Ort nicht im Stich zu lassen. Das zeichnet ihn aus», sagte der Ukrainer Woronin. Ob er Schwarz nun nach Berlin folgt, war zunächst noch nicht klar.
Druck auf Hertha-Geschäftsführer Bobic
Am 29. Mai hatte Schwarz noch das russische Pokalfinale gegen Spartak Moskau mit 1:2 verloren. Danach kündigte er sofort seinen Abschied an. Nach einer ungewöhnlichen Pyro-Show mit den Dynamo-Anhängern am folgenden Tag verließ der Deutsch-Italiener Russland, um sich nach Berlin aufzumachen, wo Hertha-Geschäftsführer Bobic auf seine mittlerweile dritte Trainerverpflichtung innerhalb von sieben Monaten nach Tayfun Korkut und Felix Magath wartete.
Nach rund sechs Wochen Vorbereitung beginnt für Schwarz die Pflicht. Am letzten Juli-Wochenende startet Hertha im DFB-Pokal bei Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig – keine leichte Aufgabe. Eine Woche später beginnt die Bundesliga-Saison. Sollte er auch im Mai 2023 noch Hertha-Coach sein, wäre er der erste Trainer seit Pal Dardai 2018/19, der eine komplette Saison bei den Berlinern im Amt ist.
Klappt es mit Schwarz auch nicht, dürfte der Druck auf Bobic weiter ansteigen. Gegenwind erhielt der Manager schon: Bei der Hertha-Mitgliederversammlung hatten sich einige Anhänger kritisch zu der bisher übersichtlichen Trainer-Vita von Schwarz geäußert. «Schon wieder einer, der noch nichts gewonnen hat», lautete ein hartes Vorab-Urteil.
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