23. November 2024

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WTA kehrt trotz Sorge um Peng Shuai nach China zurück

Wie es Peng Shuai geht, wie sie lebt, wie frei sie ist, ist weiter unklar. Dennoch wird die Damen-Tennis-Tour nach China zurückkehren. Ist das Geschäft wichtiger als die Sorge um die Spielerin?

Mit der Kehrtwende im Skandal um Peng Shuai hat die Tennis-Tour ihre Konsequenz verloren. Das Rätsel, wie es der vor mehr als einem Jahr verschwundenen ehemaligen Weltklassespielerin nach den Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen einen einstigen Spitzenpolitiker geht, bleibt ungelöst.

Und dennoch: Die Damen-Profi-Organisation WTA steigt im Widerspruch zu ihrem monatelangen Protest im Herbst wieder mit Turnieren mit Glanz und Glamour und einem Milliarden-Geschäft in China ein. Von klarer Kritik oder gar Aufruhr angesichts der Entscheidung ist bei den Spielerinnen nichts zu spüren. Menschenrechtler dagegen hinterfragen den Kurswechsel.

«Wir sehen ja im organisierten Weltsport immer wieder, dass da tatsächlich Geld vor Menschenrechte kommt», sagte der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, Wenzel Michalski, im «Deutschlandfunk». «Das ist sehr enttäuschend, dass die WTA da einknickt. Es zeigt auch, dass die WTA dabei, finde ich, alleine auf weiter Flur war. Wenn es hier um Fairness und Gleichberechtigung und Solidarität gegangen wäre, hätten sich andere Weltverbände auch der WTA angeschlossen.»

Im Herbst wieder WTA-Turnier in China

Es war ein drastischer und bemerkenswerter Schritt, den die WTA vor knapp eineinhalb Jahren nach den besorgniserregenden Ereignissen vollzogen hatte. Sie hatte international Anerkennung dafür bekommen. Die Entscheidung, bis zur Aufklärung des Falls keine Turniere mehr in China auszutragen, nahm die WTA nun aber zurück. Im Herbst werden die Stars um die polnische Weltranglistenerste Iga Swiatek wieder in China zu Gast sein. 

Am 2. November 2021 hatte der Fall damit begonnen, dass Peng Shuai im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo teilte, dass sie über einen Zeitraum von zehn Jahren mit Unterbrechungen eine Beziehung mit dem verheirateten, um Jahrzehnte älteren Politiker eingegangen sei. In dem Post, deren Echtheit die dpa nicht verifizieren konnte, war von Liebe und Zuneigung die Rede, aber auch von mindestens einem ungewollten sexuellen Übergriff.

Chinas strenge Zensoren schritten sofort ein. Rasch war der Beitrag gelöscht. Später bestritt die einstige Wimbledon- und French-Open-Siegerin im Doppel, die Vorwürfe erhoben zu haben. Es sei ein Missverständnis gewesen. Sie war wochenlang verschwunden, auch das wies sie später zurück. Aufgetauchte, fragwürdige Bilder und ein Treffen von IOC-Präsident Thomas Bach mit ihr linderten die Sorge um ihr Wohlergehen allerdings nicht. 

Wie geht es Peng Shuai?

Wie es ihr nun geht? Die chinesische Tennisspielerin Zheng Qinwen (20) spricht, wie sie jetzt in Stuttgart erzählte, nicht mit anderen Profis darüber. Mit Peng Shuai (37) habe sie auch vorher keinen Kontakt gehabt, sagte sie auch angesichts des Altersunterschieds. Nachdem sie Fragen zunächst ausgewichen war, antwortete die Nummer 25 der Welt: «Ich denke, es geht ihr ziemlich gut in China, und sie hat ein normales Leben. Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie es ihr geht. Ich konzentriere mich mehr auf mich selbst.» In China waren die Anschuldigungen von Anfang an streng zensiert worden. Chinesische Medien berichteten fast überhaupt nicht. Diskussionen in sozialen Netzwerken wurden meistens sofort gelöscht. 

Der Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Hanno Schedler, hatte Ende 2022 eine ganz andere Einschätzung abgegeben: «Sie ist keinen Moment frei. Ich glaube, dass sie weiterhin unter Zwängen steht, die wir uns nur ansatzweise vorstellen können.»

Aufklärung war das Ziel der WTA gewesen. Nun räumte die Spielerinnenorganisation ein, dass sie mit ihrem Boykott nicht alle Ziele erreicht habe. Ein direktes Treffen mit Peng Shuai, der ehemaligen Weltranglistenersten im Doppel, gab es nicht. «Aber wir hatten Kontakt zu Menschen, die dicht an Peng dran sind, und uns wurde versichert, dass sie mit ihrer Familie sicher in Peking lebt», hieß es, als die WTA in der vergangenen Woche ihre Rückkehr nach China bekannt gab. Nach den US Open soll es so weit sein. 

Für Unruhe sorgte die Entscheidung in der Tennisszene offenbar nicht. Sie vertraue darauf, dass die WTA die richtige Entscheidung getroffen habe, sagte die US-Open- und French-Open-Gewinnerin Swiatek in Stuttgart. Da die größten Turniere Ende des Jahres in China stattfinden werde, gehe sie davon aus, dass sie dort auch antreten werde. «Ich hoffe, dass wir als Spielerinnen sicher sein können, egal aus welchem Land wir kommen.» 

Geldgeschäfte in China

Vor dem Fall Peng Shuai war die Bedeutung des chinesischen Geschäftsfelds im Tennis enorm. 2018 wurden die WTA Finals, das Abschluss-Turnier der besten acht Spielerinnen der Saison, für die Jahre von 2019 bis 2028 an die chinesische Stadt Shenzhen vergeben. Das Preisgeld wurde von sieben Millionen US-Dollar auf 14 Millionen verdoppelt. 2019 gewann die mittlerweile zurückgetretene Australierin Ashleigh Barty bei den WTA Finals ein Rekord-Preisgeld von 4,42 Millionen US-Dollar. Ein solch hohes Preisgeld war zuvor weder bei den Damen noch bei den Herren in der Tennis-Geschichte je ausgezahlt worden. Einem Bericht der «Sports Illustrated» zufolge bringt China der WTA mindestens ein Drittel der Erträge ein.

Noch ist der Turnierplan für den letzten Saisonabschnitt nicht veröffentlicht. Ein Blick zurück aber verdeutlicht, welche Rolle China spielt. 2019, vor der Corona-Pandemie und dem Boykott im Fall Peng Shuai, fanden inklusive des Mega-Spektakels der WTA Finals neun größere Turniere dort stand, vor allem im September und Oktober. Das sind rund ein Sechstel des gesamten Turnierkalenders. 

Deswegen kann auch Tatjana Maria der WTA-Rückkehr etwas Positives abgewinnen. «Die Option mit China ist für uns Spielerinnen gut, dass wir wieder mehr Turniere und Optionen haben. Es waren in den letzten Jahren nicht mehr viele Turniere da», sagte die schwäbische Wimbledon-Halbfinalistin. Die Sorge um Peng Shuai steht für sie aber im Vordergrund: «Ich finde es auf alle Fälle wichtig, dass wir über Peng Shuai reden und dass sich jeder darum kümmert, dass es ihr gut geht.»

Kristina Puck, dpa