Vor Olympia 2018 war er Deutschlands bester Skispringer, vier Jahre später ist er völlig abgetaucht. So kam die Frage, die ein Zuschauer am vergangenen Weltcup-Wochenende an die «Sportschau» der ARD richtete, nicht überraschend: «Wo ist eigentlich Richard Freitag?»
Moderator Tom Bartels erklärte vor Millionen Zuschauern, der 30-Jährige sei «leider außer Form.» Man hoffe, «dass er nicht über das Ende seiner Karriere nachdenkt.» Doch so weit ist der Olympia-Medaillengewinner, frühere Team-Weltmeister und Weltcupsieger trotz seiner schwierigen sportlichen Phase nicht.
«Nein. Auf lange Sicht muss man irgendwann sicher drüber nachdenken. Das schiebe ich aktuell aber mal ganz weit weg», sagte Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Den bemerkenswerten Abstieg von der im Rampenlicht stehenden Spitzenkraft zum Springer im drittklassigen Fis-Cup erträgt der Sachse tapfer.
Ziel Vierschanzentournee
Am Wochenende ist er nicht beim Weltcup in Klingenthal am Start, sondern zwei Ligen tiefer in Kandersteg in der Schweiz. «Es wäre der Optimalplan, bei der Vierschanzentournee in der nationalen Gruppe zu sein», sagte Freitag, der vor vier Jahren noch als Topfavorit in die Tournee gestartet war. Der ehemalige Weltklassespringer Sven Hannawald kommentierte: «Das ist leider von außen traurig mit anzusehen. Ich weiß, dass Richard eines der großen Talente ist im Skispringen. Am Ende liegt es aber am Einzelnen, ob er es rumkriegt.»
Wie weit sich Freitag vom A-Team um die Topflieger Karl Geiger und Markus Eisenbichler entfernt hat, zeigten Aussagen von Bundestrainer Stefan Horngacher. Auf den ehemaligen Spitzenathleten angesprochen, sagte der Tiroler: «Es läuft soweit alles okay, aber es fehlt ihm einfach der letzte Kick. Aber so genau kann ich das gar nicht beurteilen, weil ich schon länger nicht mit ihm trainiert habe.» Unter den acht Kandidaten für sechs Weltcupplätze war Freitag nicht mehr. Im zweitklassigen Continental Cup sollten dann Jüngere die Chance kriegen, weshalb es für ihn im Fis-Cup weiterging – mit wenigen Wettbewerben und noch weniger öffentlichem Interesse.
Oftmals zerstören schwere Knieverletzungen im Skispringen Karrieren. Doch bei Freitag liegt der Fall anders. «Die Hüfte merke ich manchmal noch ein bisschen, vom Sturz in Innsbruck damals. Ich habe sonst leider nichts Körperliches, auf das ich es schieben könnte», sagte Freitag. Stattdessen spricht er von der psychischen Komponente und einer passenden Bewegung, die er «in einem Bruchteil von Sekunden» bringen müsse. «Das hat sich irgendwie verloren.»
Leistungsmäßig weit weg
Freitag träumt davon, noch einmal bei Großereignissen zu starten, mit vielen Zuschauern. In diesem Winter wird das schwierig: Zum einen ist er davon leistungsmäßig weit weg, zum anderen werden die Fans gerade pandemiebedingt wieder ausgeschlossen. «Aktuell brauche ich mich da weniger mit zu befassen, was möglich sein könnte. Das bringt alles nichts», sagte Freitag.
Die Familie wird beim Heimspiel von Klingenthal trotzdem nicht fehlen. Richards zehn Jahre jüngere Schwester Selina, die früher im Kinderwagen schon an der Schanze dabei war, ist fester Teil des Frauen-Teams und gilt als eines der größten deutschen Talente. «Ich fiebere auf jeden Fall mit. Sie hat sich super hingekämpft, das ganze Team hat eine tolle Dynamik. Ich hoffe, dass sich das weiter so entwickeln kann», sagte der große Bruder Richard.
Die Geschwister hatten früher mal den Traum, bei einem olympischen Mixed gemeinsam für Deutschland anzutreten. Tatsächlich steht die Disziplin in Peking erstmals auf der Wettbewerbsliste. Selina Freitag könnte dann dabei sein, Richard Freitag eher nicht. Den Glauben an den großen Bruder hat sie trotzdem nicht verloren. «Er kämpft auf jeden Fall. Er will das schon noch schaffen. Aufgeben ist bei ihm eher nicht so eine Option.»
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