Khalid Salman sitzt mit dem ZDF-Journalisten Jochen Breyer in einer belebten Fußgängerzone in Doha, er lächelt und sagt gestenreich: «Lass uns zum Beispiel über Schwule reden.»
Und das, was er in seiner Rolle als einer der offiziellen Botschafter des WM-Organisationskomitees ausführt, bestätigt in großen Teilen die lautstarke Kritik zahlreicher Fan- und Menschenrechtsorganisationen vor dem Fußball-Großturnier am Persischen Golf. Schwulsein sei «haram», verboten, meint Salman, weil es ein «damage in the mind» sei, ein geistiger Schaden. In diesem Moment der ZDF-Dokumentation «Geheimsache Katar» bricht ein Pressesprecher das Gespräch ab.
Die Aussagen «über Schwule sind verstörend und dennoch keine Überraschung», teilte Alfonso Pantisano aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) mit. «Wenn das Organisationskomitee (…) queere Fans scheinbar willkommen heißen möchte und dann ein WM-Botschafter solch verstörende Bemerkung macht, beweist es die Bedrohung des Regimes gegenüber queeren Menschen.» Der Verband erwarte vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung und schicke an alle Fans die Botschaft: «Boykottiert diese WM!»
Salman, 60 Jahre alt und Ex-Nationalspieler, wird auf der offiziellen Internetseite des Organisationskomitees als «Star» der Junioren-WM 1981 beschrieben. Ein Hattrick gegen Brasilien im Viertelfinale. «Ich habe Katar viele Jahre lang repräsentiert, und es ist ein stolzer Moment für mich, Botschafter zu werden», wird Salman zitiert. «Ich freue mich sehr, dabei zu sein, bei dem, was der größte Moment zu werden verspricht.» Das Organisationskomitee antwortete nicht auf eine Anfrage zu den aktuellen Aussagen des «lokalen» WM-Botschafters – insgesamt gibt es davon zehn. Zu den «globalen» zählen frühere Weltstars wie der Brasilianer Cafu.
«Die Entgleisung des WM-Botschafters ist völlig indiskutabel und macht uns fassungslos», sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf der «Bild»-Zeitung. «Die Äußerung diskreditiert die gesamte LGBTIQ-Community und offenbart ein überaus problematisches Verhältnis zu den Menschenrechten. Aus unserer Sicht sollte die FIFA ernsthaft prüfen, ob sich hiermit nicht die Ethikkommission befassen muss.»
Bei Homosexualität droht Gefängnis
Laut Gesetz ist Homosexualität in Katar verboten und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. Offiziell beteuert der WM-Ausrichter – unterstützt von FIFA-Präsident Gianni Infantino -, jeder sei willkommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser brachte von ihrem Besuch aus Katar eigenen Angaben zufolge eine «Sicherheitsgarantie» des Premierministers mit, dass sich alle Fans während des Turniers vom 20. November bis 18. Dezember frei und ohne Angst bewegen» könnten.
«Ich habe jetzt keine neuen Anzeichen von ihm selbst, dass sich daran etwas geändert haben sollte», sagte Faeser. «Natürlich sind solche Äußerungen furchtbar und das ist ja auch der Grund, warum wir daran arbeiten, dass sich die Dinge in Katar hoffentlich perspektivisch auch verbessern», fügte die SPD-Politikerin hinzu.
«Wenn wir bei den Rechten von Homosexuellen davon reden, dass sich beispielsweise zwei Männer in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung nicht zeigen dürfen, dürfen wir auch nicht unterschlagen, dass Mann und Frau das auch nicht dürfen», sagte Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, beim Deutschen Fußball-Bund als Botschafter für Vielfalt beschäftigt, in einem «t-online.de»-Interview. «Es geht also nicht nur um Homosexualität, sondern Paare allgemein. Wenn das konsequent umgesetzt wird, werden auch heterosexuelle Paare Probleme bekommen. Nach aktuellen Vorstellungen ist das ein Problem.»
Der 40-Jährige, der seine Homosexualität nach seiner aktiven Karriere öffentlich gemacht hatte, war zuletzt für eine ARD-Dokumentation erneut in Katar. «Wie ich es vor Ort erlebt habe, könnte es passieren, dass man dann ermahnt und einem mitgeteilt wird, dass es in der dortigen Kultur nicht erwünscht ist – aber man wird deswegen nicht sofort eingesperrt.» Angst habe er nicht gehabt, «dass mir in Katar etwas passieren würde. Aber ich kann verstehen, dass Menschen äußerst vorsichtig sind und auf die Reise verzichten.»
Keine Regenbogen-Kapitänsbinde
Die Diskussionen um die Freiheit der LGBTQI+-Gemeinschaft während des Turniers, das dem Grundgedanken nach verbinden soll, begleitet den WM-Vorlauf seit Monaten. Die englische Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, intergeschlechtliche sowie queere Menschen. Das Sternchen ist Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter. Salman spricht in der ZDF-Dokumentation Englisch und benutzt das Wort «gay», das auch mit «homosexuell» übersetzt wird. Aus dem Kontext wird klar, dass er Männer meint.
Beschäftigt hat die Situation auch längst die deutsche Nationalmannschaft, die kritisiert wurde, weil sie statt der symbolträchtigen Regenbogen-Kapitänsbinde eine mehrfarbige mit dem Schriftzug «One Love» einpackt. Neuendorf hatte Faeser bei deren Reise in der vergangenen Woche nach Doha begleitet. Die Verbandsspitze bemüht sich, den richtigen Ton zu treffen, muss sich dabei während offiziellen Reisen aber in diplomatischen Grenzen bewegen. Christian Rudolph von der 2021 vom DFB und dem LSVD eingerichteten «Kompetenz- und Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt» im Fußball» wurde zuletzt sehr deutlich.
«Das ist genau das, was wir nicht wollten», sagte Rudolph im Interview der «Frankfurter Rundschau» über die Faeser-Aussagen zu Sicherheitsgarantien. «Das haben wir in allen entsprechenden Gesprächsrunden zuvor hinterlegt, dass der Dialog zum jetzigen Zeitpunkt kurz vor der WM nichts mehr bringt (…). Wenn jetzt gesagt wird, dass die WM bedenkenlos für queere Menschen sei, ist das ein fatales Zeichen für die queere Community in Katar. Welches Katar hat denn Nancy Faeser bitte gesehen? Dann kann sie sich auch gleich durch Nordkorea führen lassen.»
Salman sagt in der ZDF-Dokumentation (Sendetag: 8. November, 20.15 Uhr): «Das Wichtigste ist doch, jeder wird akzeptieren, dass sie hierherkommen, aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen.» Er habe vor allem Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag) hatte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zuletzt die Kritik an Katar vorwiegend aus Europa als «sehr arrogant und sehr rassistisch» bezeichnet. Zugleich hatte er auf Reformen in seinem Land verwiesen, die auch nach der WM fortgesetzt würden.
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