In Ruhe im neuen Job ankommen sieht anders aus. Drei Tage vor dem Schließen des Transferfensters hat Sportdirektor Benjamin Weber seine Stelle bei der mal wieder akut abstiegsgefährdeten Hertha angetreten – nachdem der Club Geschäftsführer Fredi Bobic recht plötzlich von seinen Aufgaben entbunden hatte.
Nun soll der 42 Jahre alte Berliner in Windeseile Spieler finden, die dem Hauptstadtclub zum Klassenerhalt verhelfen. Auch die Konkurrenz in der Bundesliga sieht sich zu Not-Verpflichtungen gezwungen.
«Vollkommen richtig, es ist ein knackiger Start. Aber die Herausforderung nehmen wir an», sagte Weber, der bei den Berlinern bis Februar 2022 schon in verschiedenen anderen Positionen tätig war, aber noch nie als Sportdirektor eines Bundesligisten arbeitete.
Es dauerte nicht lange bis in Medien über die ersten möglichen Transferziele des Tabellen-17. spekuliert wurde. Flügelspieler Gauthier Hein von AJ Auxerre aus der französischen Ligue 1 soll sogar schon in Berlin sein. Der Däne Jannik Vestergaard von Leicester City und Maximilian Philipp vom VfL Wolfsburg wurden ebenfalls gehandelt. Der gebürtige Berliner Philipp wechselt jedoch stattdessen auf Leihbasis zu Werder Bremen. Auch der marokkanische WM-Spieler Selim Amallah soll offenbar einen Wechsel nach Spanien bevorzugen.
Weber gibt sich pragmatisch
Die Situation ist für Weber und sein Team nicht ideal, doch er gibt sich pragmatisch. Kaderplaner Dirk Dufner, von Bobic geholt und damit an den vielen Fehlgriffen unter dessen Ägide beteiligt, habe ihn auf den Stand der Dinge gebracht, sagte Weber bei seiner Vorstellung. Er sei zudem im Thema drin, kenne den Markt gut. «Natürlich werden wir aber auch schauen, was es noch für andere Möglichkeiten gibt. Mit dem Wissen, dass es nicht viel Zeit ist», sagte Weber. «Aber wir haben einen Plan und schauen, was im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten möglich ist.»
Das ist das nächste und vermutlich größere Problem: Geld steht bei der klammen Hertha eigentlich nicht zur Verfügung. «Die wirtschaftlichen Fähigkeiten haben sich nicht verändert. Der Kurs bleibt der gleiche: Wir müssen kreativ bleiben, was Transfers angeht», sagte Geschäftsführer Thomas Herrich am Sonntag. Auch Bobic hatte in den vergangenen Wochen stets auf die leeren Kassen verwiesen.
Der Deal mit dem möglichen neuen Investor 777 Partners, der wohl auch frisches Geld in Aussicht stellt, ist noch nicht abgeschlossen. In die Trennung von Bobic war 777 eingeweiht. Möglicherweise können sich die Berliner aber schon das Netzwerk und die Daten der Investment-Firma zu Nutzen machen, die über Beteiligungen an zahlreichen anderen Clubs verfügt. Der Personaltausch so kurz vor dem Ende der Transferperiode scheint mal wieder viele Klischees über Hertha BSC zu bestätigen. Präsident Kay Bernstein sprach von einem mutigen Weg. Man kann ihn auch riskant nennen.
Große Transfers bleiben vorerst aus
Auch andere Bundesligisten mussten in der Winter-Transferperiode die Not zur Tugend machen. Die ganz großen Transfers blieben bislang aus. Der Tabellenletzte Schalke 04 schlug aufgrund des schwachen Kaders ordentlich zu. Auch wegen der finanziell angespannten Lage wurden die Spieler jedoch ausgeliehen. Unter anderem kam als Ersatz für den verletzten Mittelstürmer Sebastian Polter Michael Frey auf Leihbasis von Royal Antwerpen.
Die TSG Hoffenheim holte angesichts der Krise, einiger Verletzter und des millionenschweren Abgangs von Georginio Rutter bisher Abwehrspieler John Brooks, der am Samstag bei seinem Debüt gleich mal ein 1:4 gegen Gladbach erlebte. Neu-Stürmer Kasper Dolberg gehörte erstmals zur Startformation, fand aber überhaupt keine Bindung zum Spiel. Beim VfL Wolfsburg stand die Verkleinerung des Kaders im Mittelpunkt.
Tabellenführer Bayern München zwangen dagegen Verletzungen zum Handeln. Nationaltorwart Manuel Neuer brach sich beim Skitourengehen den Unterschenkel. Als Ersatz wurde Yann Sommer aus Mönchengladbach geholt. Für die Abwehr kam der zuletzt vereinslose Daley Blind. Ein größerer Name wäre Rechtsverteidiger João Cancelo, der vom englischen Meister Manchester City ausgeliehen werden soll.
Bedarf auch in Leipzig
Auch bei RB Leipzig könnte nach der Verletzung von Dani Olmo und dem weiteren Ausfall von Christopher Nkunku noch einmal Bedarf in der Offensive bestehen. Borussia Dortmund reagierte auf den Ausfall von Thomas Meunier mit der Verpflichtung von Rechtsverteidiger Julian Ryerson vom 1. FC Union Berlin.
Die Köpenicker wählten wie auch der FSV Mainz 05 einen anderen Weg als viele Konkurrenten und nahmen für ihre Verhältnisse viel Geld in die Hand. Die Mainzer verpflichteten den französischen Mittelstürmer Ludovic Ajorque für rund sechs Millionen Euro. Bei Union kam der kroatische Außenverteidiger Josip Juranovic, Medienberichten zufolge für eine Sockelablöse von bis zu acht Millionen Euro.
Rekordtransfer für den Stadtrivalen der Hertha, den dazu noch ein wildes Gerücht umwehte. Der Tabellenzweite soll am fünfmaligen Champions-League-Sieger und aktuell vereinslosen Mittelfeldspieler Isco interessiert sein. «Dieser Sieg ist für dich Isco», schrieb Unions Kapitän Christopher Trimmel bei Instagram nach dem Derby-Sieg, machte sich aber wohl vor allem einen Spaß aus dem Gerücht.
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