Der HSV und die Bundesliga-Rückkehr, Klappe, die sechste: Auch in der kommenden Saison startet der ehemalige Europapokal-Sieger Hamburger SV den nächsten Versuch, seinen Makel der fußballerischen Zweitklassigkeit loszuwerden.
Neu im Programm ist die Kontinuität. Die Protagonisten bleiben wie in den gescheiterten Anläufen 2022 und 2023 dieselben: Trainer Tim Walter und Sportvorstand Jonas Boldt. Das sei «selbstverständlich», sagte Boldt nach der 1:3-Niederlage im Relegations-Rückspiel gegen den VfB Stuttgart. «Wir haben ein Fundament gebaut. Am Ende haben nur Nuancen gefehlt.»
Das Duo Walter/Boldt könnte nur gesprengt werden, wenn der 41-jährige Boldt vom Aufsichtsrat vom HSV-Spielfeld verwiesen würde. Doch das ist in der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums nichts zu erwarten. Boldt hat die Unterstützung der Aufsichtsräte, und Walter die Unterstützung von Boldt.
Walter und Boldt im Fokus
Auch der 47 Jahre alte Trainer sagte mit Blick auf den nächsten Aufstiegsversuch in der kommenden Saison: «Grundsätzlich ist uns daran gelegen, genau so weiterzumachen.» Dabei ist das Scheitern des Projekts Aufstieg 2023 gerade an ihm und dem Sportvorstand festzumachen.
Beide hatte von Beginn der Saison an mantraartig wiederholt, dass der HSV mit dieser Mannschaft endlich dorthin wieder zurückkehrt, wo sich der Verein und seine Fans trotz des Abstiegs 2018 sehen: in der Bundesliga. Niemand bewegte mehr Geld, niemand hatte einen teureren Kader: Trotzdem scheiterte der HSV erneut.
Schon das Verpassen des direkten Aufstiegs hinter dem 1. FC Heidenheim und Darmstadt 98 war ein Tiefschlag. Und das in einer Liga, in der es keine großen Namen wie in der Vorsaison in Schalke 04 und Werder Bremen gab.
Die beiden Relegationsspiele gegen den Erstliga-16. VfB Stuttgart mit dem 0:3 im Hinspiel und der Niederlage im Volksparkstadion machten deutlich, dass die Mannschaft höheren Ansprüchen als denen der 2. Liga nur selten erfüllt. Daran ändert auch nicht der von Walter wiederholte Hinweis, dass die Hamburger mit 66 Punkten und 20 Siegen die erfolgreichste Zweitligasaison gespielt haben.
Für Walter spricht, dass er eine geschlossene und charakterstarke Mannschaft geformt hat, die von den Fans geliebt wird und bedingungslos zu ihrem Trainer hält. Trotz der Enttäuschung und vielen Tränen blieben die Anhänger am Montagabend noch lange in der mit 55 500 Zuschauern erneut ausverkauften Arena und feierten die Spieler. Walter hat eine hohe Emotionalität, eine Wir-gegen-alle-Mentalität geschaffen.
Starke Gegner in der 2. Liga
In der neuen Saison dürfte es schwerer werden. Absteiger Schalke wird den sofortigen Wiederaufstieg anpeilen, Hertha BSC muss noch die Lizenz-Frage klären. Der Stadtrivale FC St. Pauli zeigte unter Fabian Hürzeler eine große Leistungssteigerung und war die mit Abstand beste Rückrunden-Mannschaft. Auch Fortuna Düsseldorf und Hannover 96 wird einiges zugetraut.
Eine große, kritische Saisonanalyse wurde vom HSV – anders als bei Relegationssieger Stuttgart – vorerst nicht angekündigt. Es sei die große Kunst «das Potenzial, das die Jungs in sich haben, weitestgehend konstant auf den Platz zu bringen. Das haben wir verbessert in dieser Saison», sagte Boldt lediglich.
Einige dieser Jungs könnten den HSV nun verlassen. Für Spieler wie Torjäger Robert Glatzel, Mittelfeldspieler Ludovit Reis und der am Montag mit den Tränen kämpfende Torwart Daniel Heuer Fernandes wird es sicherlich Interessenten geben. Ob Sonny Kittel bleibt, ist unklar. Der Vertrag des HSV-Torschützen im Relegations-Rückspiel läuft aus. «Wir werden ganz, ganz viele Gespräche führen», kündigte Walter an.
Schlüsselspieler sollen bleiben
Auch Boldt machte Hoffnung auf einen Verbleib der Schlüsselspieler: «Sie wissen, was sie an Hamburg und an uns haben.» Dass der HSV den Aufstieg verpasst hat, dürfte die Verhandlungspositionen aber nicht besser machen.
Dass aber dringender Handlungsbedarf auf einigen Positionen besteht, hat auch der Sportchef erkannt. «Wir haben über die zwei Spiele gesehen, dass noch Luft da ist», sagte Boldt. Vor allem in der Defensive muss nachgebessert werden.
Dass der sogenannte Walter-Fußball auf den Prüfstand kommt, ist wohl eher unwahrscheinlich. Die Trainer-Strategie, mit Ballbesitz flach aus der Defensive auf die Flügel zu spielen und dort Eins-gegen-Eins-Situationen zu schaffen, seine Gegner zu dominieren, funktioniert meist nur gegen schwächere Teams. Mannschaften wie der 1. FC Magdeburg, der FC St. Pauli, Heidenheim und Darmstadt fanden ihre Mittel und Wege gegen den HSV. Einen Plan B hat und will Walter offensichtlich nicht.
Öffentliche Selbstzweifel oder gar Selbstkritik sind seine Sache nicht. Siege wurden überbewertet und Niederlagen kleingeredet. «Ich kann ja nicht negativ denken und positiv handeln», erklärte er vor den beiden Relegationsspielen. «Das funktioniert ja nicht. Deswegen gibt es überhaupt keine negativen Gedanken.» Kommt Kritik auf, wischt Walter sie rigoros vom Tisch. Das stärkt vielleicht die mannschaftliche Geschlossenheit, nach außen wirkt das aber stur und manchmal gar überheblich.
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