Ein spitzer Schmerz schießt durch das Handgelenk oder den Unterarm, es kribbelt und wird taub. Etwas zwickt im Rücken oder Nacken. Die Liste typischer E-Sport-Verletzungen ist lang, für einige Profigamer haben sie schon das Karriereende bedeutet.
Thomas «ZooMaa» Paparatto, einer der besten Call-of-Duty-Spieler, trat mit 25 wegen Schmerzen im Daumen zurück. Der Dota-2-Profi Clinton «Fear» Loomis musste in seinen Zwanzigern immer wieder wegen seines schmerzenden Mausarms aussetzen.
Chuck Tholl, Forscher an der Deutschen Sporthochschule Köln, überrascht das nicht. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Herausforderungen des E-Sports und forscht auch zu den körperlichen Auswirkungen des kompetitiven Videospielens.
Karpaltunnelsyndrom, Tennisarm, Rückenschmerzen
«E-Sportler machen kleine repetitive Bewegungen über einen langen Zeitraum», sagt Tholl im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Sei es das ständige Hin und Her mit dem Mausarm oder das Tastendrücken mit der Hand auf Tastatur oder Controller.
«Mancher kennt solche Belastungserscheinungen vielleicht auch von seinen Büroarbeiten», sagt Tholl. «E-Sportler führen ähnliche Bewegungen mit der Maus oder an der Tastatur durch, aber dabei 400 bis 500 Aktionen pro Minute in der Spitze.»
Richtig ärgerlich wird es für E-Sportler, wenn etwas mit ihren Armen oder Händen nicht stimmt. «Die Sehnenansätze von den Muskeln der oberen Extremitäten werden durch die permanenten kleinen gleichen Bewegungen überlastet», sagt Tholl. Die Bewegungsschmerzen, die dadurch verursacht werden, können überall im Arm auftreten: in Schultern, Ellenbogen, Handgelenken oder Daumen.
Worst Case Operation
«Wenn es schlecht läuft, kann eine Operation nötig werden», sagt Tholl. Etwa beim Karpaltunnelsyndrom, bei dem in schlimmen Fällen ein Band zerschnitten werden muss, um Druck aus dem Handgelenk zu nehmen.
Der sogenannte Mausarm ist so etwas wie die E-Sport-Version des Tennisarms. «Das sind zwei Beschwerden, die bei Spielern auftreten, die mit Maus und Tastatur arbeiten», sagt Tholl. Am Controller dagegen sei das Daumengelenk eine typische Problemregion. «Anfang der 2000er haben Mediziner das mal Nintendoitis oder den Nintendodaumen getauft», sagt Tholl.
Ein weiterer Schmerzpunkt vieler Gamer: «Etwa die Hälfte der Probanden einer aktuellen Studie hatten innerhalb eines Jahres schon einmal Nackenschmerzen durch das Videospielen», sagt Tholl. Dicht dahinter folge der untere Rücken. «Das passiert, wenn wir viel monoton sitzen, uns wenig dabei bewegen und die Körperhaltung mit der Zeit immer schlechter wird.»
Wie man gegen E-Sport-Verletzungen vorbeugt
Was können E-Sportler nun tun, um diesen Problemen vorzubeugen? Der erste und wichtigste Tipp laut Tholl: «Regelmäßige Pausen einlegen und aktiv vom Bildschirm weggehen.» Trainingstage von zehn Stunden und mehr ohne Regenerationszeiten, wie sie im E-Sport lange üblich waren, seien aus sportwissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll.
Zehenspitzenstand, Kniebeugen, Ausfallschritte, Dehnen und Strecken – all das könne helfen, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Auch ein kurzes Aufwärmen der Finger, Handgelenke, Arme und des Rückens sei ratsam.
«Langfristig sollten E-Sportler überlegen, ob sie zwei Mal die Woche Kräftigungsübungen zur Stärkung der Muskulatur und Sehnen einbauen», sagt Tholl. Das würde die typischen Probleme zwar nicht ausschließen, aber das Risiko reduzieren. Und: «Körperliche Fitness wirkt sich auch positiv auf die mentale Leistungsfähigkeit aus», sagt Tholl.
Was das Team BIG tut
Auch Teams arbeiten daran. «Die typischen Probleme wie das Karpaltunnelsyndrom, der Tennisarm oder Schmerzen im Rücken beschäftigen uns natürlich auch», sagt Roman Reinhardt, Chief Gaming Officer bei der Berliner E-Sport-Organisation BIG, im dpa-Interview.
Vor allem jüngere Spieler vernachlässigten körperlichen Ausgleich häufiger mal, sagt Reinhardt. «Bei den meisten Spielern fangen die Problemchen eben erst an, wenn sie schon zehn Jahre aktiv sind.»
Das Team achte also darauf, dass auch die jungen Talente schon früh mit der Prävention anfangen und nicht erst etwas tun, wenn bereits etwas wehtut. «Dafür arbeiten wie auch regelmäßig mit Orthopäden zusammen», sagt Reinhardt. Aber auch der Sportpsychologe, der bei BIG fest zum Team gehört, habe sich Expertise in dem Bereich aufgebaut.
Talente profitieren von Routiniers
Und so ein Trainingsalltag sei bei BIG gut durchstrukturiert: Theorieblöcke, Praxisphasen, Gespräche mit dem Sportpsychologen, Bewegungspausen – alles in allem in der Regel nicht länger als acht Stunden, «wenn nicht gerade ein wichtiges Turnier ansteht, dann kann es auch mal kurz intensiver werden», sagt Reinhardt.
«Der E-Sportler von morgen wird bis Mitte 30 locker auf einem hohen Level spielen können», sagt Reinhardt. «Von diesen erfahrenen Spielern profitieren auch die jungen Talente, weil sie von der Professionalität und den Routinen mitgezogen werden.»
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