Vor dem immer brisanten Spiel gegen Deutschland und Julian Nagelsmann nahm sich Ralf Rangnick lächelnd die Zeit für seine frühere Berufung.
«In welcher Klasse seid ihr denn?», fragte der Trainer der österreichischen Nationalmannschaft, der auch als Lehrer hätte arbeiten können, am Montag beim Abschlusstraining die Besuchergruppe im altehrwürdigen Ernst-Happel-Stadion. Ein Trikot und «zwei, drei Minuten» für Fotos bekamen die Kleinen, ehe Rangnick die akribische Vorbereitung auf die Partie am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) fortsetzte.
«Es ist ein interessantes, spannendes Duell – immer, wenn Deutschland gegen Österreich spielt, egal, wie weit man zurückgeht. Auf Vereinsebene würde man das als Derby bezeichnen», sagte Rangnick (65). 14 Kamerateams verfolgten jede Regung des Teamchefs, der sich aber größte Mühe gab, keine persönliche Aufgeregtheit zu zeigen: «Wir müssen uns auf uns konzentrieren. Wir werden mit der stärkstmöglichen Elf auflaufen.»
Mehrere gemeinsame Karrierestationen
Mit Nagelsmann verbinden Rangnick gleich mehrere Karrierestationen. Bei der TSG Hoffenheim war Rangnick Trainer, als der 29 Jahre jüngere Nagelsmann Nachwuchscoach wurde. Jahre später holte Rangnick, damals als Sportdirektor, Nagelsmann zu RB Leipzig – und wurde zum Red-Bull-Mutterkonzern gelobt. Danach gefragt hob Nagelsmann stets die großen Verdienste von Rangnick für die jeweiligen Clubs hervor.
In den vergangenen Wochen habe es keinen Kontakt gegeben, sagte Rangnick. «Vielleicht» sei vor oder nach dem Spiel am Dienstag Zeit für einen Austausch. «Wir haben schon in den ersten Spielen gesehen, welchen Fußball Julian spielen will.» Er sei überzeugt, dass Deutschland «die Chance und auch das Potenzial» habe, bei der Heim-EM 2024 eine tragende Rolle zu spielen. «Weil sie die Spielerqualität, aber auch einen absoluten Toptrainer haben», sagte der einstige Bundesliga-Coach.
Am Tiefpunkt übernommen
Und Österreich? Rangnick hatte die Auswahl im Mai 2022 an einem Tiefpunkt nach der verpassten Qualifikation für die WM in Katar übernommen. «Ein Name, den viele vermutlich gar nicht für möglich gehalten haben», sagte Verbandspräsident Gerhard Milletich. Anders als der Deutsche Fußball-Bund nach dem Abschied von Joachim Löw gut ein Jahr zuvor entschied sich das Nachbarland für den Reformer, dessen Image immer wieder zwischen schwierig und revolutionär schwankt. Mit dem DFB habe es «zu keinem Zeitpunkt» Gespräche gegeben, betonte Rangnick. Beim ÖFB scheint es zu funktionieren.
«Ein Musterschüler und 31 Klassenkameraden», schrieb die «Kronen Zeitung» nach 19 Punkten in acht Spielen in der EM-Qualifikation. RB Leipzigs Nicolas Seiwald verpasste keine Partie. Unter Rangnick spielt die ÖFB-Auswahl strukturiert offensiv – und denkt mittlerweile auch wieder so. «Wir sind als Mannschaft reifer geworden», sagte der frühere Bayern-Profi David Alaba. «Wir haben aber auch das Potenzial, noch besser zu werden. Der Hunger in der Mannschaft ist schon etwas sehr Spezielles.»
Mit zwölf in der Bundesliga angestellten Spielern kann Rangnick am Dienstag auf viel Erfahrung gegen die deutschen Nationalspieler bauen. Im Sturm könnte der inzwischen 34 Jahre alte, frühere Bremer Marko Arnautovic spielen, der an guten Tagen immer noch jede Innenverteidigung fordern kann. «Ein Sieg gegen Deutschland wäre die Kirsche oben auf der Nachspeise», sagte Bayern-Profi Konrad Laimer. Bei der EM im kommenden Jahr könnten beide Nationen schon in der Gruppe wieder aufeinandertreffen. Rangnicks Vertrag in Österreich läuft bis zur WM 2026.
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