25. November 2024

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Union spricht zum Fußball-Gott: «Wie viele Schläge noch?»

Union Berlin steckt in der größten sportlichen Krise unter Trainer Urs Fischer. In Dortmund droht die siebte Niederlage nacheinander. Terminstress und zwei große Baustellen bereiten Sorgen.

Nach dem Last-Minute-Knockout in der Königsklasse fühlte sich Urs Fischer wie ein taumelnder Boxer. «Wie viele Schläge kann man noch einstecken?», fragte der Trainer von Union Berlin wohl mehr zu sich selbst.

Doch der Schweizer fand seinen Kampfgeist nach dem denkwürdigen 2:3 bei der Champions-League-Heimpremiere gegen den SC Braga schnell zurück: «Es gilt, auch nach diesem Schlag aufzustehen.» Der 57-Jährige muss die größte Union-Krise seit seinem Amtsantritt 2018 managen.

Aber wie? Bis zum schweren Bundesligaspiel bei Vizemeister Borussia Dortmund am kommenden Samstag sei «keine Zeit, zu trainieren», klagte Fischer nach der sechsten Pflichtspiel-Niederlage in Folge. Zudem dürfte das ohnehin angeknackste Selbstvertrauen der Unioner durch das zweite Nachspielzeit-Drama im zweiten Königsklassenspiel weiter gelitten haben. «Haben wir irgendwie was falsch gemacht? Haben wir den Fußball-Gott irgendwie beleidigt, dass wir aktuell so behandelt werden?», sagte ein völlig ratloser Nationalspieler Robin Gosens. 

Doppelbelastung macht sich bemerkbar

Es scheint, als werde den Berlinern die Doppelbelastung aus Königsklasse und Bundesliga zum Verhängnis. Eigentlich ist die Terminhatz nicht neu. Erst Conference League, dann Europa League und jetzt die größte europäische Fußball-Bühne überhaupt: Union spielt das dritte Jahr nacheinander international. «Jetzt scheint es noch mal eine andere Qualität zu haben, weil wir viele Dinge im Kopf haben und nicht ausschließlich die Bundesliga. Vielleicht gehen dann entscheidende Prozente verloren», sagte Manager Oliver Ruhnert kürzlich der «Bild». 

Nach Jahren des kometenhaften Aufstiegs stehen die Berliner an einem Tiefpunkt. Der nächste Rückschlag droht am Samstag gegen den bislang noch ungeschlagenen BVB. «Die Dortmund-Spieler wissen, dass sie das seriös angehen sollten», schickte Mittelfeldspieler Jannik Haberer als Botschaft ins Ruhrgebiet. Doch es klingt wie eine Kampfansage ohne Substanz. 

Keine der sechs Niederlagen war so bitter wie die im ausverkauften Olympiastadion gegen Braga. 2:0 geführt und kurz davor, Vereinsgeschichte zu schreiben. Das Ziel, europäisch zu überwintern, ist nach Niederlagen gegen Real Madrid und Braga weit weg. Der Null-Punkte-Auftritt gegen die Spanier war irgendwie einkalkuliert, das 0:1 in der Bundesliga gegen Aufsteiger Heidenheim nicht. Offiziell bleibt das Saisonziel das Erreichen der 40-Punkte-Marke und der gesicherte Klassenerhalt. Doch die Transfers von Europameister Leonardo Bonucci, Nationalspieler Gosens oder Kevin Volland lassen erahnen, dass die Berliner insgeheim in anderen Größenkategorien denken. 

Viele Union-Baustellen

Um die gestiegene Erwartungshaltung zu erfüllen, gilt es, zwei Baustellen schleunigst zu schließen – sonst folgt auf einen düsteren September ein noch düsterer Oktober. Die Effizienz fehlt. Union läuft an – und scheitert viel zu oft. «Ich zähle da drei Hundertprozentige, in Führung zu gehen», sagte Fischer über die Schlussphase gegen Braga. «Chancenverwertung ist ein Thema», befand auch Haberer.  

Doch auch die Defensive schwächelt. Seit der Verletzung von Stabilisator Rani Khedira fehlt den Köpenickern in ihrem einstigen Wohlfühlzentrum die Sicherheit. Das instinktive Zusammenspiel zwischen den Neuzugängen Alex Kral, Bonucci und Gosens funktioniert noch nicht. Das Fehlen von Abwehr-Chef Robin Knoche trägt seinen Teil zum löchrigen Abwehr-Gebilde bei. «Das waren wichtige Bausteine», sagte Haberer und äußerte einen Wunsch: «Es wäre schön, mal den kompletten Kader zur Verfügung zu haben.»

Doch dieser Wunsch bleibt auch gegen Dortmund unerfüllt. «Unwahrscheinlich», antwortete Fischer auf die Frage, ob Knoche einsatzfähig sei. Wie Union gegen den BVB gewinnen will, wissen die Spieler selbst nicht. «Aber die nehmen uns schon nicht auf die leichte Schulter», versicherte Haberer.

Von Jordan Raza und Thomas Flehmer, dpa