Elisabeth Seitz umarmte ihren Trainer und lächelte zufrieden. Nach einer sehenswerten Vorführung am Stufenbarren hat die Stuttgarterin bei den Olympischen Spielen in Tokio den fünften Platz am Stufenbarren belegt.
Mit 14,400 Punkten verfehlte die 27-jährige Turnerin die Bronzemedaille nur um 0,1 Punkte. «Ich fand meinen Wettkampf gut. Es war keine perfekte Übung, gerade zum Ende hin», sagte die deutsche Rekordmeisterin. Nach überwundenen Motivationsproblemen war sie glücklich. «Es hat sich so viel getan vom letzten Jahr bis heute, so viel Positives, deswegen bin ich einfach nur stolz auf mich.»
Olympiasiegerin wurde Nina Derwael aus Belgien mit 15,200 Punkten vor der Russin Alija Mustafina (14,833) und Sunisa Lee aus den USA (14,500). Beste beim Sprung war die Brasilianerin Rebeca Andrade mit der Durchschnittsnote von 15,083 Punkten für zwei Sprünge. Am Boden holte Artem Dolgopyat mit 14,933 Punkten das erste Turn-Gold für Israel. Der Brite Max Whitlock wiederholte wie am Pauschenpferd mit 15,583 Punkten seinen Erfolg von Rio de Janeiro.
Finals ohne Biles
Die beiden Frauen-Finals fanden ebenso wie das Mehrkampf-Finale ohne US-Superstar Simone Biles statt, die ihre Starts wegen mentaler Probleme abgesagt hatte. Die viermalige Olympiasiegerin von 2016 verzichtet auch auf die Teilnahme an der Entscheidung am Boden an diesem Montag. Ob die 24-Jährige am Dienstag am Schwebebalken antritt, ist fraglich.
Als älteste Finalistin am Stufenbarren kokettierte Seitz im Vorfeld mit ihrem Alter. Die 27-Jährige meinte, dass ihr längere Pausen gut tun, «weil ich ja von der älteren Generation bin». Im Vergleich zu Rang vier am Stufenbarren in Rio hinter der Chemnitzerin Sophie Scheder spüre sie einfach, dass sie fünf Jahre älter sei. «Das kann ich nicht verheimlichen oder sagen, dass fünf Jahre Hochleistungssport spurlos an einem vorbeigehen.»
Und dann war da auch noch das Jahr 2020 mit dem Loch, in das sie nach der Absage der Tokio-Spiele unvermittelt fiel: Ziel weg, Fitness weg, Motivation weg, Kampfgeist weg – alles ging in Traurigkeit und Enttäuschung über sich selbst auf. «Das war dann einfach weg. Damit war für mich der Grund für hartes Training weg, ich konnte meinen Körper nicht mehr dazu bringen, hart zu trainieren, weil ich nicht mehr wusste, für was», berichtete sie. Die Wende kam mit dem Anbruch des verspäteten Olympia-Jahres. «Jetzt ist die alte Eli wieder da», sagte sie. Das bewies sie in Tokio bei ihren dritten Olympischen Spielen auch mit Platz neun im Mehrkampf.
Paradegerät von Seitz
Als Siebte hatte sich Elisabeth Seitz fürs Finale an ihrem Paradegerät Stufenbarren qualifiziert. «Das Faszinierende für mich ist vor allem das Fliegen. Kontrolliert fliegen, um den Holm wieder zu fangen», sagte sie. Manchmal ist sie dann auch von sich selbst begeistert: «Um ehrlich zu sein, wenn ich mir Videos von mir angucke, ist es auch manchmal Wahnsinn, wie ich da durch die Gegend fliege.»
Das Faszinierende am Barren sei, «dass wir Dinge machen, die man sich so als Normalbürger erstmal gar nicht vorstellen kann. Das Unvorstellbare setzen wir um und das auch noch in Perfektion. Das finde ich schon ziemlich cool», schwärmte Elisabeth Seitz. Die Leidenschaft für das Turnen am Stufenbarren hat sie in ein selbst kreiertes Element umgesetzt: Den Seitz. Dabei hat sie den so genannten Schaposchnikowa, einen Flug vom unteren zum oberen Holm, weiterentwickelt. «Ich habe den erfunden mit einer ganzen Längsachsendrehung, wo ich mich einmal drehe und oben wieder fange. Ziemlich cool», beschrieb sie ihre Erfindung.
Weil aber die Einstufung bei der Schwierigkeit zu niedrig ist, «dafür, dass es so schwer ist», turnte die 27-Jährige das Element in ihrer Tokio-Übung nicht. «Aber naja, ich habe es trotzdem erfunden, das ist mein Teil und ich freue mich darüber», sagte sie leichthin und zuckte mit den Achseln.
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