23. November 2024

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Türkei-Trainer Kuntz in Lettland weiter unter Druck

Zweiter Auftritt für Stefan Kuntz als Fußball-Nationaltrainer der Türkei: In Lettland soll nach dem 1:1 gegen Norwegen der erste Sieg her. Für die Qualifikation zur WM braucht sein Team aber Schützenhilfe.

Die Fältchen in den Augenwinkeln verrieten das Lächeln hinter der Maske. Bei der Ankunft auf dem Flughafen in Riga gab es für Stefan Kuntz und seine türkischen Fußball-Nationalspieler einen freundlichen Empfang durch die Botschafterin Gülsun Erkul und Blumen von Fans.

Doch der langjährige Trainer der so erfolgreichen deutschen U21-Auswahl weiß: Folgt dem 1:1 im Heimspiel gegen Norwegen kein Sieg in der WM-Qualifikation am Montag (20.45 Uhr) gegen Lettland, werden Anhänger und einheimische Medien womöglich unfreundlichere Töne anschlagen.

Türkei-Kenner Daum: «Himmelfahrtskommando»

Durch das Remis am Freitag in Istanbul ist die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar für die Türken in die Ferne gerückt. Aus eigener Kraft kann der WM-Dritte von 2002 die Teilnahme nicht mehr schaffen. In der Gruppe G führen die Niederlande mit 16 Punkten vor Norwegen (14) und der Türkei (12). Nur der Gruppenerste qualifiziert sich direkt, der Zweite spielt in Playoffs um die WM-Teilnahme. Mit einem Heimsieg hätten die Türken die Skandinavier auf Platz drei verdrängt. «Wir sind ein kleines bisschen enttäuscht», gab Kuntz zu.

Türkei-Kenner Christoph Daum, der mit Besiktas und Fenerbahce Istanbul sowie Bursaspor drei Top-Clubs trainierte, sagte in der Sendung «Lage der Liga» im TV-Sender Bild, er hätte Kuntz zu einem Verein geraten. «Wir haben darüber gesprochen, dass er sich im Klaren sein muss, dass das ein absolutes Himmelfahrtskommando ist, was er da übernimmt», erklärte der 67-Jährige.

Die Pflanze der Hoffnung ist noch klein

Stefan Kuntz steht in der Türkei unter Druck, versucht diesen aber, mit Gelassenheit abzuwehren und sich Zeit zu verschaffen. Denn nach seinem Verständnis soll die Arbeit mit der Nationalmannschaft langfristig, zukunftsorientiert und vor allem nicht rückwärts gewandt sein. Er sehe sich noch nicht in der Lage, den türkischen Fußball zu bewerten, hatte der Europameister und einstige Besiktas-Spieler vor der Partie gegen Norwegen erklärt.

«Nach vier Spielen werde ich mich mit den Trainern aller Vereine treffen, um zu sehen, was wir tun können», sagte Kuntz mit Blick auf den Abschluss der WM-Qualifikation, in der nach Lettland noch die Spiele gegen Gibraltar und in Montenegro folgen. Er befürchte, es könne noch etwas dauern, bis die Mannschaft zu sich finde, sagte Kuntz und versprach, man werde den «eigenen türkischen Stil» finden.

«Wir hätten unseren türkischen Fans und allen anderen auch gerne einen Sieg geschenkt, um diese Pflanze der Hoffnung ein bisschen schneller wachsen zu lassen. Die ist jetzt noch ein bisschen klein», sagte Kuntz bedauernd nach seinem Debüt als Nationaltrainer der Türkei. Jetzt müsse man alle folgenden Spiele gewinnen, damit man bereitstehe, wenn die Tür zur Qualifikation noch einmal aufgehe. Gegen Lettland steht sein Team vor der nächsten Herausforderung, denn die Balten schlugen sich beim 0:1 gegen den haushohen Favoriten Niederlande wacker.

Hohe Erwartungen an Kuntz

Kuntz hat seinen Vertrag als Türkei-Coach erst vor knapp drei Wochen unterschrieben. Die Erwartungen an den Erfolgstrainer, der die deutsche U21 zweimal zum EM-Titel geführt hatte, waren und sind riesig. Die türkischen Medien urteilen in der Regel schnell und hart. Am Samstag titelte die Sportzeitung «Fanatik» denn auch: «Die deutsche Impfung hat nicht gewirkt.» Kuntz habe bislang den erhofften nicht Sieg gebracht.

Ein Kolumnist der Zeitung schrieb am Sonntag vor dem Spiel gegen Lettland: «Kuntz muss das Spiel ändern, nicht die Spieler.» Doch der 58-Jährige wirkte trotz des Drucks gelassen. Auch bei der bohrenden Nachfrage eines türkischen Journalisten, wie viel Verantwortung er denn beim Trainer für die Situation sehe. Er habe seinen Job in der kurzen Zeit so gut gemacht wie es gehe, erwiderte Kuntz ruhig.

Von Martin Kloth und Mirjam Schmitt, dpa