Dieser Abgang steht symbolisch für Martin Hinteregger. Österreichs Kultkicker von Eintracht Frankfurt hat sich mit gerade einmal 29 Jahren völlig unerwartet vom Profifußball verabschiedet und ohne Umschweife seinen sofortigen Rücktritt erklärt.
Es wird nicht nur der bis Juni 2024 gültige Vertrag mit dem Europa-League-Sieger aus Hessen aufgelöst – Hinteregger möchte nach den Querelen der vergangenen Wochen auch sonst nirgends mehr spielen.
Hinteregger beendet in Frankfurt die Karriere
«Den Sieg in der Europa League habe ich deswegen so ausgiebig genossen, weil ich da schon wusste, dass es meine letzte große Siegesfeier mit den fantastischen Fans in dieser Stadt sein würde, die meine zweite Heimat geworden ist», kommentierte Hinteregger den Entschluss, der offenbar kein spontaner war.
Er habe im Herbst schon einmal über den Schritt nachgedacht. «Mein Leistungsschub im Frühjahr und unsere gemeinsamen Erfolge in der Europa League haben mich dann umso mehr motiviert, mich mit einem großen sportlichen Erfolg zu verabschieden», beschrieb «Hinti». So kam es auch, obwohl Hinteregger das siegreiche Finale von Sevilla am 18. Mai verletzungsbedingt verpasste.
Der Rücktritt kommt überraschend, passt aber zu Hinteregger. Dieser war zuletzt wegen einer Geschäftsbeziehung zu einem FPÖ-Gemeinderat schwer in die Kritik geraten. Zwar hatte der Fußballer die Beziehung nach entsprechenden Enthüllungen schnell beendet und sich deutlich nach rechts abgegrenzt, jedoch sorgten weitere Interviewaussagen für immer neuen Ärger.
Verteidiger wurde zuletzt zum Problemfall
«Emotionale, vielleicht unbedachte Worte von mir haben zu Irritationen geführt und dafür möchte ich mich entschuldigen. Das bedauere ich sehr. Um es noch mal ganz klar zu sagen: rechtes, intolerantes und menschenverachtendes Gedankengut verurteile ich aufs Schärfste», ließ Hinteregger nun wissen. Der Eintracht und Vorstand Markus Krösche wird damit eine Entscheidung abgenommen, die nicht einfach gewesen wäre: Nahbaren Publikumsliebling halten? Oder polarisierenden Problemfall abgeben?
«Martins Entscheidung kam für uns unerwartet, aber er hat uns seine Perspektive und Gründe eindrücklich und überzeugend dargelegt. Daher war es für uns keine Frage, diesem sportlich schmerzlichen, aber menschlich nachvollziehbaren Wunsch zu entsprechen», sagte Krösche. Zuvor hatte die «Bild-Zeitung» von einer sofortigen Trennung nach einem Rapport berichtet. Wenige Minuten später wurde klar: «Hinti» wird gar nicht mehr als Profi kicken – so der Plan.
Was dieser in seiner Karriere an Schlagzeilen produziert hat, liefern andernorts Fußballvereine in Jahrzehnten nicht. Ein kleiner Auszug: Interview-Attacke gegen Trainer Manuel Baum, Suspendierung beim FC Augsburg, auf Video dokumentierter Vollrausch auf einem Volksfest, Ausplaudern von Interna und zuletzt eine öffentlich gewordene Zusammenarbeit mit Heinrich Sickl, der in Graz Räumlichkeiten an die rechtsextreme Identitäre Bewegung vermietet hatte. Und nun: Schluss. Einfach so.
Hinteregger: «Mein Leben neu ausrichten»
«Zunächst gilt es für mich, etwas Abstand zu gewinnen und mein Leben neu auszurichten. Ich bin dankbar, dass mir die Eintracht die Möglichkeit gibt, diesen Schritt jetzt zu gehen», sagte Hinteregger, der zuletzt immer stärker in den öffentlichen Fokus geriet und dabei selten noch als nahbarer und glaubwürdiger Publikumsheld abgebildet wurde. Viel mehr ging es um die Querelen und Verfehlungen, auch dies wollte Hinteregger offensichtlich stoppen.
«Ich werde meine Profi-Karriere definitiv bei Eintracht Frankfurt beenden!», hatte Hinteregger am Wochenende beim eigenen Fußballcup in seiner Heimat Sirnitz noch angekündigt. Das klang damals noch fern in der Zukunft und ist weniger als eine Woche später Realität. Was er künftig machen wird, ließ Hinteregger zunächst offen. «Ich kenne nix anderes als Profi. Das tut weh. Ich hab jetzt schon ein bisschen Angst, wie es ist, in sechs, sieben Jahren in die Berufswelt einzusteigen», hatte er einmal in einem Interview gesagt. Öffentlich bekannt ist seine Leidenschaft für die Berge, das Fliegen und die Musik.
Trennung im Guten
Den Europapokalsieger verlässt er nach eigenen Aussagen im Guten. «Ich werde ausschließlich mit großer Dankbarkeit und Freude an meine Zeit bei der Eintracht zurückdenken, mich weiterhin mit dem Verein und seinen Anhängern fest verbunden fühlen und die Mannschaft bei ihrem weiteren Weg durch Europa als Fan unterstützen», sagte der Kärntner.
Der Eintracht geht in jedem Fall ein Typ verloren – und ein unter Trainer Oliver Glasner gesetzter Stammspieler in der Abwehr. «Martin Hinteregger hat in den vergangenen Jahren für Eintracht Frankfurt Großartiges geleistet und maßgeblich dazu beigetragen, dass der Club diese tolle Entwicklung nehmen konnte», lobte Krösche.
Der mutige Schritt des Profis zum vorzeitigen Karrierende verdiene «Respekt und Anerkennung», fügte der Funktionär an. «Nicht zuletzt aufgrund seiner aufrichtigen Entschuldigung für sein Verhalten in den zurückliegenden Tagen und Wochen und seiner deutlichen und glaubhaften Distanzierung von rechtem Gedankengut bleibt er in Frankfurt als verdienter Spieler und Europapokalsieger immer willkommen.»
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