22. November 2024

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Traum vom Titel: Zverev kämpft sich ins Halbfinale

Nur ein Jahr nach der schweren Verletzung steht Alexander Zverev wieder im Halbfinale bei den French Open. Der Tennis-Olympiasieger darf vom großen Triumph träumen - die Aufgabe wird aber schwerer.

Alexander Zverev brüllte seine Freude heraus und freute sich auf den Fernsehabend zum Studium seines Halbfinalgegners. Nur ein Jahr nach dem Verletzungsschock kämpfte sich der Tennis-Olympiasieger wieder unter die besten Vier der French Open und darf vom ersten Grand-Slam-Triumph träumen. 

Der 26-Jährige beendete den beeindruckenden Lauf des argentinischen Außenseiters Tomás Martin Etcheverry mit 6:4, 3:6, 6:3, 6:4 und erreichte zum dritten Mal in Serie das Halbfinale beim Sandplatzklassiker von Paris. Zverev verwandelte am Mittwochabend nach 3:22 Stunden seinen ersten Matchball. Nun wartet der norwegische Vorjahresfinalist Casper Ruud als bislang schwerste Aufgabe im Turnier.

«Das beste Match, das ich hier gespielt habe» 

«Ich bin so glücklich, wieder auf dieser Bühne zu sein und wieder um die Chance auf den Titel von Roland Garros spielen zu können. Ich sehe euch übermorgen wieder», schwärmte Zverev im Sieger-Interview auf dem Platz und zeigte sich in der Pressekonferenz sehr zufrieden. «Das Match war sehr, sehr hohes Niveau. Generell war es das beste Match, das ich hier gespielt habe. » 

Eurosport-Experte Boris Becker lobte in höchsten Tönen: «Großes Match, wichtiges Match in seiner Karriere. Sascha Zverev ist wieder zurück.» Mit dem dritten Halbfinaleinzug bei den French Open stellte Zverev den deutschen Herren-Rekord von Becker in der Profi-Ära ein.

Dieser hatte jedoch nie das Endspiel von Paris erreicht. Für Zverev ist im Jahr nach seiner schweren Knöchelverletzung am gleichen Ort nun der ganz große Erfolg drin – auch wenn die Aufgaben immer schwerer werden. Im Halbfinale am Freitag geht es gegen den 24 Jahre alten Ruud, der den dänischen Youngster Holger Rune aus Dänemark in vier Sätzen bezwang. Die Partie am Mittwochabend wollte Zverev am TV verfolgen. «Ich erwarte ein sehr schwieriges Match», sagte er zu seiner nächsten Partie.

Das andere Halbfinale bestreiten die Topfavoriten Carlos Alcaraz aus Spanien und der 22-malige Grand-Slam-Turniersieger Novak Djokovic aus Serbien. «Das Turnier ist für mich noch nicht vorbei», betonte Zverev selbstbewusst. 

Zuvor nie weiter als erste Runde

Zverev musste auf dem Court Philippe-Chatrier, wo er 2022 im Halbfinale gegen Rafael Nadal umgeknickt war, eine harte Prüfung bestehen, spielte aber seine Erfahrung im Vergleich mit dem unermüdlich laufenden Etcheverry aus. Zuvor war der Sandplatzspezialist aus Argentinien bei den French Open nie weiter als in die erste Runde gekommen. 

Schon sein zweiter Grand-Slam-Finaleinzug nach den US Open 2020 – dort verlor er gegen den Österreicher Dominic Thiem – wäre für Zverev etwas Besonderes. Als deutsche Tennisspieler bestritten bislang nur Michael Stich (1996), Gottfried von Cramm (1934-1936) und Henner Henkel (1937) das Endspiel der Herren-Konkurrenz im Stade Roland Garros.

Nach ausgeglichenem Beginn diktierte Zverev immer mehr die längeren Ballwechsel, trat dominant auf. Beim Stand von 3:3 nutzte er durch einen Vorhandfehler seines Gegners die Chance zum ersten Break. Der 23 Jahre alte Etcheverry erlief im Stile eines Sandplatzwühlers auch die unmöglichsten Bälle. Zverev bewahrte von der Grundlinie jedoch die Ruhe und sicherte sich mit überlegtem Angriffsspiel nach 52 Minuten den ersten Durchgang.

Ein verlorener Vibrationsdämpfer

In den vorigen vier Spielen dieses Turniers hatte Etcheverry noch keinen Satz abgegeben. Auch weil sein Erstrundengegner früh aufgab, hatte er Kräfte sparen können und stand insgesamt mehr als anderthalb Stunden weniger als Zverev auf dem Platz. 

Etcheverry bewies seine Frische, ließ sich von dem Rückschlag nicht beirren, kam besser ins Spiel. Nach einem zu lang geratenen Volleystop von Zverev schaffte der Weltranglisten-49. per Passierball sein erstes Break zum 4:2 und genoss den Jubel der Zuschauer. 

Zverev nahm seinem Gegner zwar direkt wieder den Aufschlag ab, verpasste aber die anschließende Chance zum Ausgleich durch zwei Doppelfehler und einen verschlagenen Überkopfball. Dabei ging sogar der Vibrationsdämpfer aus dem Schläger verloren, Vater und Trainer Alexander Zverev senior kramte auf der Tribüne ein Ersatzexemplar hervor. Auch das half nicht: Wenig später war der Satz aber nach einer verschlagenen Rückhand weg – mit gesenktem Kopf trottete Zverev zur Bank.

«Come on»

Zverev wirkte kurz angeschlagen. Mit vier leichten Fehlern gab er direkt wieder das erste Aufschlagspiel zu null ab, und kämpfte sich aus dem Nichts doch wieder zurück. Fünf Spielgewinne in Serie bedeuteten eine 5:2-Führung – «Come on» brüllte Zverev quer über den Platz in Richtung seiner Box und holte sich den Satz.

Im vierten Durchgang starteten beide Spieler konzentriert. Der Deutsche blieb konstant – und schaffte das entscheidende Break zum 4:3. Zwei Chancen des Gegners bei eigenem Aufschlag wehrte Zverev noch ab und durfte jubeln. 

Von Florian Lütticke, dpa