23. November 2024

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Training vor 15.000 Fans: Nagelsmann verrät EM-Tagträume

Öffentliches Training, ein Familienfest, Bundespräsident, SEK und Nationalspieler bei der Blankenhainer Tafel: Die DFB-Tage in der Thüringer Idylle sind vielfältig. Und das EM-Ziel ist formuliert.

Diese Aufbruchstimmung gefiel Julian Nagelsmann. Schwarz-rot-goldene Fähnchen und jubelnde Fans – beim öffentlichen Training in Jena war schon ein Hauch jenes Sommergefühls zu spüren, das die Fußball-Nationalmannschaft durch die Heim-EM tragen soll.

«Wir freuen uns, hier zu sein. Wir freuen uns, dass es losgeht», rief DFB-Sportdirektor Rudi Völler den 15.000 glücklichen Fans, die ein Gratis-Ticket für die öffentliche Übungseinheit ergattert hatten, im Stadion von Carl Zeiss Jena zu. Zum Kultsong «Major Tom» liefen die DFB-Kicker um Turnierveteran Thomas Müller mit etwas Verspätung auf den Stadionrasen und begannen mit ihrem Übungsprogramm.

Wenige Stunden zuvor hatte Nagelsmann die deutsche EM-Mission im Schloss Blankenhain eröffnet. Und das nicht im schicken Ausgehanzug, sondern im Trainingsdress. Mit seiner Kleiderwahl sendete der durchaus modebewusste Bundestrainer aus dem Weimarer Land eine klare Botschaft an die Fußball-Nation. Für den vor Energie strotzenden Turnier-Neuling Nagelsmann geht es in den kommenden Wochen vor allem um harte Arbeit, die möglichst am 14. Juli im Berliner Olympiastadion im großen EM-Finale gekrönt werden soll.

«Ich habe eine Vorfreude auf Training», sagte der 36-Jährige. Zum Start der Vorbereitung auf das Heimturnier plauderte Nagelsmann aber auch gut gelaunt über seine erste Nacht im noblen Teamquartier in Blankenheim. Gut geschlafen habe er im weichen Federbett. «Und sie wollen jetzt hören, dass ich vom EM-Titel geträumt habe», sagte Nagelsmann grinsend, um anzuschließen: «Ich habe viele Tagträume, die auch mit dem EM-Titel zu tun haben.»

Einigkeit beim EM-Ziel: «Natürlich das Maximale»

Groß denken, so tickt der ehemalige Bayern-Trainer Nagelsmann. Und auf dem Podium im DFB-Medienzentrum sekundierte Völler: «Wir wollen zu dem Kreis der Mannschaften gehören, die bis zum Turnierende dabei sein wollen. Wenn es Berlin wird, umso schöner.» Einige Minuten zuvor hatte bereits DFB-Präsident Bernd Neuendorf am selben Ort «natürlich das Maximale» als Zielsetzung beim Heimturnier benannt. «Wir wollen das schaffen – mit den Zuschauern im Rücken», sagte Neuendorf.

Ein großes Turnier kann jedoch nie von hinten gedacht werden. Und 275 Kilometer entfernt vom Berliner Olympiastadion muss sich Nagelsmann erstmal mit einem Stotterstart in die erste Vorbereitungsphase auf die am 14. Juni in München gegen Schottland beginnende Deutschland-Tour herumschlagen. Die Trainingsgruppe wird sich erst langsam füllen.

Nagelsmann bekräftigt: Neuer ist der Turniertorwart

Manuel Neuer reist nach einem Magen-Darm-Infekt frühestens am Mittwoch an. «Er ist noch ein bisschen schlapp», berichtete Nagelsmann. Für ihn bleibt der 38 Jahre alte Bayern-Kapitän aber der Turniertorwart, «wenn er gesund ist». Das Leverkusener Doublegewinner-Trio Robert Andrich, Florian Wirtz und Jonathan Tah wird ebenso wie Kapitän Ilkay Gündogan (FC Barcelona) erst Mitte der Woche in Blankenhain eintreffen und die Arbeit aufnehmen.

Ersatztorwart Marc-André ter Stegen stößt nach ein paar Tagen Sonderurlaub sogar erst zum vorletzten EM-Testspiel am kommenden Montag in Nürnberg gegen die Ukraine zum DFB-Tross. Und die Champions-League-Finalisten Toni Kroos und Antonio Rüdiger von Real Madrid sowie Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck von Borussia Dortmund werden als letzte Nachzügler erst tags darauf beim Team erwartet. «Das Feintuning gibt es dann in Herzogenaurach», bemerkte Völler.

Nagelsmanns Wunsch: Bloß keine Verletzungen

Die lange Vereinssaison hat zudem bei etlichen Akteuren körperliche Spuren hinterlassen. Das Bayern-Trio Jamal Musiala, Leroy Sané und Aleksandar Pavlovic trainiert zunächst noch dosiert. Der Leipziger David Raum wird noch von mit Außenband-Problemen am Knie beeinträchtigt. Nagelsmanns wichtigster Vorbereitungswunsch ist insofern nachvollziehbar: «Wir hoffen, dass sich kein Spieler verletzt und wir keinen Spieler nachnominieren müssen.»

Auch wenn das Training im Fokus steht, bieten die Tage im Blankenhainer Golfresort, das während der EM-Endrunde den Engländern um Harry Kane als Basiscamp dienen wird, mehr als 24 Stunden Fußball. Die Nationalspieler Müller und Chris Führich verteilten am Montag bei einer Aktion der Blankenhainer Tafel Lebensmittel an bedürftige Menschen.

Am Mittwoch besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das DFB-Team. Am Tag darauf sollen die DFB-Kicker von einem Spezialeinsatzkommando erfahren und lernen, wie entscheidend es ist, perfekt zusammenzuarbeiten und «füreinander da zu sein», wie es Nagelsmann ausdrückte. Zudem dürfen an den ersten Tagen die Spielerfrauen und Kinder mit im Teamquartier dabei sein. Ein großes Familienfest am Dienstagnachmittag mit einem Barbecue soll den Gemeinschaftssinn verstärken.

«Wenn man einen Zusammenhalt schaffen kann, kann man auch Großes erreichen», sagte DFB-Chef Neuendorf. Die Testspielsiege gegen Frankreich (2:0) und Holland (2:1) hätten nicht nur im «Inner Circle», sondern auch in der Öffentlichkeit «einen unglaublichen Optimismus» entfacht, meinte der 64-jährige Völler, der etliche Turniere als Spieler und Teamchef erlebt hat.

«Hohe Auszeichnung» für Thüringen

In der Idylle des Weimarer Landes soll der Osten Deutschlands mitgenommen und begeistert werden für die EM. Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sprach von «einer hohen Auszeichnung» für das Bundesland, die Nationalmannschaft als Gast bei sich haben. Völler schwärmte von «optimalen Bedingungen» vor Ort.

Nagelsmann will die Heim-EM in den kommenden Wochen zu einem nationalen Fußball-Projekt entwickeln. Das öffentliche Training als Startpunkt nannte er darum wertvoll «für eine Connection» mit den Fans. Diese sollen nach drei Turnierflops bei der WM 2018, EM 2021 und WM 2022 im eigenen Land wieder «eine Art und Weise von Fußball erleben, der Spaß macht, der entertainen (unterhalten) soll», sagte Nagelsmann. Und das im Idealfall bis zum letzten der 31 Turniertage, dem großen EM-Finale Mitte Juli in Berlin.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa