Eigentlich könnte André Greipel ganz zufrieden sein. Erst wurde der Rostocker überraschend für die Tour de France nominiert, dann lieferte er in den Massensprints drei Platzierungen in den Top Ten ab.
Wohlgemerkt ohne einen Sprintzug wie Seriensieger Mark Cavendish zu haben. Doch Greipel ist auch mit 38 Jahren noch ein Ehrgeizling wie zu Beginn seiner Laufbahn und entsprechend bedient, wenn mal wieder die anderen feiern. «Wenn man nicht vorne ist, kann man nicht zufrieden sein», sagt Greipel bestimmt und knapp.
Unverhofft zur Tour
Dabei ist die Frankreich-Rundfahrt in diesem Jahr so etwas wie ein Bonus für ihn. Nach seiner zehnten Teilnahme hatte Greipel im vergangenen Jahr «eigentlich schon mit der Tour abgeschlossen». Doch dann ließ ihn sein Team Israel Start-Up Nation nicht wie geplant zum Giro und Greipel wurde bei seinem Chef vorstellig. «Ich habe gesagt, dass ich ein Ziel brauche», erzählt der im Peloton nur «Gorilla» genannte Greipel. Und daraus wurde dann die Tour-Teilnahme für ihn und seinen Helfer Rick Zabel.
Doch zu zweit haben sie in den Massensprints gegen den Cavendish-Zug kaum eine Chance. «Wir haben uns gut präsentiert, aber vielmehr ist nicht drin», betont Zabel. Während Cavendish kurz vor der Ziellinie abgeliefert wird und nur noch vollenden muss, springt Greipel von Hinterrad zu Hinterrad und steht oft früh im Wind. Da geht ihm dann trotz herausragender Wattwerte oft die Kraft aus.
Ziel in den Bergen: Im Zeitlimit bleiben
Momentan sind die Sprints dieser Tour ohnehin weit weg. Stattdessen quält sich der 80 Kilogramm schwere Greipel an der Seite der anderen Sprinter durch die Pyrenäen. Dabei gibt es nur ein Ziel: Unbedingt im Zeitlimit bleiben. Etwas knapp wurde das in den Alpen auf der kalten und völlig verregneten Etappe nach Tignes. So etwas, sagte Greipel da, habe selbst er noch nicht bei der Tour erlebt. Durchschnittlich musste er weit über 300 Watt treten, um im Rennen zu bleiben.
Die Belohnung für die Qual könnte in Libourne warten. Dort wird Greipel am Freitag auch ohne Etappensieg feiern, schließlich ist es sein 39. Geburtstag. Doch es ist auch die letzte Chance vor dem großen Finale auf den Pariser Champs-Élysées, einen Sprint zu gewinnen. Dazu muss angesichts der Konkurrenz verdammt viel passen. Doch träumen, sagt der elfmalige Etappensieger, könne man immer. «Träumen kann man bis Paris.»
Dort anzukommen, ist das primäre Ziel. Das war Greipel bei der Tour im vergangenen Jahr nicht gelungen. Da war auf der 18. Etappe nach La Roche-sur-Foron in den Alpen Schluss. Schon zwei Tage hatte er sich mit einer starken Erkältung gequält, dann war es selbst für das Kraftpaket zu viel.
Das letzte Mal in Paris?
Womöglich ist Greipels überraschende Tour-Teilnahme die unerwartete Chance, sich in Paris vom größten Radrennen der Welt zu verabschieden und nicht irgendwo in der Pampa geschlagen ins Teamfahrzeug steigen zu müssen. Es wäre ein würdiger Abschied. Denn eine Rückkehr scheint ausgeschlossen. Zwar hat Greipel noch einen Vertrag bis zum Ende des nächsten Jahres, doch den wird er wohl nicht ganz erfüllen, was mit dem Team abgesprochen ist. Der ARD sagte Greipel zu seinen Plänen: «Ich habe mir vorgenommen, mit 40 Jahren keine Startnummer ans Trikot zu heften.» Die nächste Geburtstagsparty gibt es also zu Hause.
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