22. November 2024

Sport Express

Express-Sport direkt aus der Arena

Tony Martins Ideen nach seinem Rücktritt

Mit Gold und dem Regenbogentrikot geht der Cottbuser von der großen Bühne. Nach Siegesfeier und Heimreise wartet direkt der Familienalltag auf den Radsport-Routinier.

Als Tony Martin im Auditorium von Brügge die letzte Frage beantwortet hatte, fingen die Journalisten an, für dessen Karriereleistung zu klatschen.

Der achtmalige Straßenrad-Weltmeister und Goldgewinner im WM-Mixed 2021 wirkte etwas verlegen, bedankte sich dann aber lächelnd und verabschiedete sich endgültig von der großen Bühne. Nach der Karriere, die neben Titeln und Triumphen auch viele Stürze brachte, bricht nun ein neues Kapitel für Martin an. So äußerte sich der 36 Jahre alte Profi aus Cottbus in Flandern zur Zukunft und dem letzten großen Highlight:

Herr Martin, das war’s mit dem Profiradsport.

Tony Martin: Man soll ja immer aufhören, wenn es am schönsten ist. Und ich hätte mir keinen schöneren Tag für meinen Abschied vorstellen können. Es ist alles ziemlich perfekt gelaufen. Gerade unsere Mädchen sind extrem stark gefahren. Wir sind ein eingeschworenes Team und werden die Goldmedaille und meinen Abschied gebührend feiern – dann war es das auf jeden Fall. Erstmal werde ich die Zeit mit der Familie genießen. Der Radsport soll mal nicht im Mittelpunkt stehen – das hat er in den letzten 20 Jahren. Ich werde in eine Zukunft gehen, die nicht aus Plänen besteht.

Was für ein Gefühl ist das, wenn die Kolleginnen und Kollegen alle für Sie fahren?

Martin: Ja, das hat mich tatsächlich überwältigt. Ich war mir dessen gar nicht so bewusst, was ich da auch unbewusst für einen Druck aufgebaut habe. Jeder wollte das Beste geben, auch für mich. Das macht mich natürlich ein Stück weit verlegen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eigentlich gar nicht so gerne im Mittelpunkt stehe. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass die Jungs und Mädels um mich herum so für mich gekämpft haben. Über Gold freue ich mich für mich persönlich, aber auch für das komplette Team. Es ist ein rundum gelungener Tag und eine rundum gelungene Woche.

Lief beim Rennen alles glatt? Sie hatten während der Fahrt mal nach hinten gewunken, was war da los?

Martin: Das galt eher unserem Trainer, der uns im Radio extrem gepusht hat. Er war sehr enthusiastisch. Ich wollte mich mehr aufs Rennen konzentrieren, deshalb war das mehr so ein: «Jetzt sei mal leise, wir machen das schon.» Das Rennen lief sehr, sehr gut.

Donnerstag, Freitag, Samstag – was steht die nächsten Tage an?

Martin: Donnerstag werde ich wahrscheinlich den ganzen Tag im Auto sitzen, um nach Hause zu fahren. Es ist eine lange Fahrt, aber das ist in Ordnung, dass ich da für mich alleine bin. Freitag beginnt vielleicht ein Stück weit normaler Alltag mit der Familie, die ihren normalen Tagesablauf hat. Ich werde jetzt nicht auf die Malediven fliegen und Frührentner werden. Aber wir werden sicher zeitnah mit der Familie schön verreisen, im kleineren Rahmen.

Wie schön ist es, dieses Regenbogentrikot zum Abschluss der Karriere wieder zu tragen?

Martin: Es ist eigentlich die schönste Art und Weise, die Karriere zu beenden. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass mein Team das ermöglicht hat. Wir waren jetzt 20-30 Sportler in dem Zelt und haben das Rennen verfolgt. Danach kam jede Nation zu mir und hat mir gratuliert, zum Sieg, aber auch zu meiner kompletten Karriere. Das ist schon eine ganz große Ehre für mich. Das zeigt, dass ich im Feld auch ganz gut angenommen wurde als Mensch. Das ist für mich fast noch mehr wert als eine Goldmedaille.

Was passiert mit dem Trikot und der Goldmedaille?

Martin: Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich kein Fan von Radsport-Sachen in meinem Privatleben bin. Aber klar, jetzt, wo ich kein Radprofi mehr bin, kann ich mir Gedanken machen, ob ich das eine oder andere Trikot aufhängen werde. Dieses Trikot und diese Medaille werden sicherlich in den nächsten Monaten einen ganz, ganz tollen Ehrenplatz bekommen.

Müssen Sie jetzt doch noch weitermachen, weil Sie sehen, Sie können noch gewinnen?

Martin: Nein, werde ich nicht. Aber es ist doch auch schön, abzudanken, wenn man ganz oben ist. Nach einer so tollen Karriere gibt es doch nichts Schlimmeres, als irgendwann in der Versenkung zu verschwinden und tschüss zu sagen und keinen interessiert es. Man wird ganz, ganz sicher auch kein Comeback von mir sehen.

Aufgezeichnet von Patrick Reichardt, dpa