Die Liebesgrüße aus dem marokkanischen Teamquartier erwiderte Kylian Mbappé noch in der Nacht. Mit drei roten Herzen reagierte der Starspieler der Équipe Tricolore bei Twitter auf die «Wir sehen uns bald»-Nachricht seines Freundes Achraf Hakimi.
Das WM-Halbfinale zwischen Weltmeister Frankreich und der Sensationsauswahl Marokkos am Mittwoch (20.00 Uhr MEZ) wird sehr besonders – nicht nur wegen der Internetherzen der beiden Teamkollegen des von WM-Gastgeber Katar alimentierten Glitzerclubs Paris Saint-Germain.
Frankreichs Coach lobt Marokko
«Wir reden schon über Marokko anstatt über England?», fragte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps im Al-Bait Stadion nach dem etwas glücklichen 2:1-Viertelfinalsieg gegen die Briten verwundert. Es war die erste Frage der obligatorischen Pressekonferenz, während der Spieler und Trainer meist den Eindruck machen, lieber schnell die Reise über die Wüstenautobahnen ins Hotel antreten zu wollen. Aber Deschamps nahm sich Zeit.
«Es gibt nicht viele, die behaupten können, dass sie Marokko im Halbfinale erwartet hätten», sagte der Weltmeister von 1998. «Sie verdienen es, da zu stehen, wo sie stehen.» Währenddessen zogen in Frankreich Tausende jubelnde Marokkaner durch die Straßen, auf dem Pariser Prachtboulevard Champs-Élysées «in Trance», wie die Fachzeitung L’Équipe schrieb. Ein Großteil Marokkos war bis Mitte der 1990er-Jahre französisches Protektorat – in Frankreich leben Hunderttausende Marokkaner.
«Es ist ein historischer Moment für sie», antwortete Deschamps, als sich auch die zweite Frage nicht um die geschlagenen Three Lions, sondern um die marokkanischen Löwen vom Atlas drehte. Gesehen habe er bislang nur die erste Halbzeit des 1:0 gegen Portugal.
Und als zum Schluss des Fragespielchens die tiefen Spuren der großen brasilianischen Mannschaften von 1958 und 1962 aufkamen, sagte Deschamps lächelnd und anscheinend dankbar das, was Fußballtrainer gerne sagen. «Wir müssen uns zuerst auf Mittwoch fokussieren», sagte der 54-Jährige, das nächste Spiele eben, den «nächsten wichtigen Schritt». Als erster Weltmeister seit Brasilien vor 60 Jahren den Titel zum zweiten Mal in Folge gewinnen, das ist auch für Mbappé «der absolute Traum». Die Chance in Katar scheint riesig. Zum Halbfinale wird Staatspräsident Emmanuel Macron erwartet.
Giroud denkt an 2018
«Das erinnert mich an die Mentalität und die Hingabe von 2018. Diese Gruppe verdient es, wieder so weit zu kommen», sagte Olivier Giroud, der mit seinem Tor zum Endstand den Weg geebnet hatte. Aurélien Tchouaméni hatte Frankreich in Führung gebracht, England Kapitän Harry Kane per Strafstoß den Ausgleich erzielt. Weil der Brite einen zweiten Foulelfmeter in die Zuschauerränge der Wüstenzelt-Arena jagte, gingen die Bilder des lachenden Mbappé und der feiernden Franzosen um die Fußball-Welt.
«Es wurde gesungen und getanzt in der Kabine. Der Verbandspräsident Noël Le Graët kam, Lilian Thuram und Claude Makélélé. Es ist wunderbar, diese Gefühle in der Umkleide zu sehen», berichtete Giroud. Schon vor vier Jahren in Russland hatte der 36-Jährige zu den Stammspielern gezählt, aber nicht einmal aufs Tor geschossen und demzufolge auch kein Tor erzielt. In Katar steht Giroud bei vier Treffern.
«Wir haben die Qualität im Team, aber du brauchst auch die richtige Einstellung. Vielleicht haben wir auch ein bisschen Glück gehabt. Wir genießen das jetzt erstmal», sagte Deschamps. Und dann wartet Marokko.
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