Den Formel-1-Rücktritt von Sebastian Vettel zum Ende vergangener Saison konnte Lewis Hamilton nicht ganz ernst nehmen.
«Die Formel 1 hat eine Art, einen wieder anzusaugen, das haben wir schon bei so vielen anderen Fahrern gesehen», erklärte der Rekordweltmeister aus England beim Grand-Prix-Finale von Vettel in Abu Dhabi Mitte November und sagte auf der Fahrerpressekonferenz an seinen deutschen Kumpel gerichtet: «Es ist dein letztes Rennen, aber du wirst zurückkommen.»
Gerade einmal drei Monate später gibt es diese wilden Gerüchte über ein Blitzcomeback des viermaligen Weltmeisters. Kommt Vettel als Ersatz für den verletzten Lance Stroll zurück? Sitzt er schon zum Auftaktrennen in Bahrain nächste Woche wieder in einem Aston Martin? Es gibt eine Menge Futter für die Fantasie der Fans.
Vettel ist Rentner – eigentlich
Die Ausgangslage ist erstmal eindeutig: Vettel ist Formel-1-Rentner. Nach 299 Grand Prix, 53 Siegen, vier Weltmeisterschaften und zwei enttäuschenden letzten Jahren bei Aston Martin hat er seine Karriere in der Motorsport-Königsklasse mit 35 Jahren beendet.
«Keine Ahnung, wie ich in ein, zwei Jahren ticke. Was das Körperliche angeht, betreibe ich eine Sportart, in die man nach zwei Jahren Pause noch gut zurückkehren könnte. Ich wünsche mir allerdings, dass ich auch in zwei Jahren noch sage: ‚Nein danke, ich brauche das Rennfahren nicht mehr’», hatte Vettel zum Abschied gesagt.
Er hat viel über sich und die Formel 1 reflektiert, beide haben sich auseinandergelebt. Der Heppenheimer will mehr Zeit für seine Familie und sein Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben. Andere PS-Projekte hat Vettel nie ausgeschlossen, wie zuletzt auch seine Teilnahme an der Spaßveranstaltung «Race of Champions» im schwedischen Schnee zeigte.
«Man darf nicht vergessen: Er hat seinen Ruhestand sehr gründlich geplant, und das muss man respektieren», sagte Aston Martins Teamchef Mike Krack am Rande der Testfahrten in Bahrain und ergänzte dennoch: «Warten wir ab, was passiert.»
Wie schwer ist Stroll verletzt?
Der Luxemburger, ein Vertrauter Vettels, hat plötzlich eine Fahrervakanz. Stroll hat sich bei einem Radunfall im Training verletzt, der Kanadier fiel deshalb für die Testfahrten aus. Aston Martin sprach von einem «kleineren Unfall», der zweite Stammpilot neben Fernando Alonso rechne außerdem mit einer «schnellen Genesung». Angeblich soll Stroll aber schwerer verletzt sein als angenommen – das führt zu den Spekulationen.
«Er ist natürlich unser Plan A. Wir wollen Lance wieder im Auto haben, aber wir müssen warten, was er sagt und was die Ärzte über den richtigen Zeitpunkt sagen», erläuterte Krack. «Über den Plan B müssen wir noch entscheiden. Wir haben einige Plan Bs, aber wir müssen den Plan B entscheiden, wenn der Plan A nicht möglich ist. Das ist ganz einfach. Kann er fahren oder kann er nicht fahren?»
Telefonate reichen für Gerüchteküche
Der Plan B für die Tests in Bahrain hieß Felipe Drugovich. Der Formel-2-Champion aus Brasilien ist auch offizieller Ersatzfahrer bei Aston Martin und durfte zwei halbe Tagen in der Wüste absolvieren. Der andere Ersatzfahrer Stoffel Vandoorne war beim E-Prix von Kapstadt in Südafrika im Einsatz.
Krack räumte ganz allgemeine Gespräche mit Vettel ein, ging aber nicht auf Details ein. Das genügte natürlich, um die Spekulationen zu befeuern. «Ich habe ein paar Telefonate mit Sebastian geführt, aber das war auch im letzten Jahr so und wird auch in Zukunft so sein», sagte er. Habe Vettel vielleicht sogar seine Bereitschaft erklärt zurückzukommen, falls Aston Martin einen Ersatz für Stroll brauche? «Das kann ich Ihnen nicht sagen», meinte Krack. «Zunächst ist unser Plan, Lance im Auto zu haben, und dann sehen wir weiter.»
Vettel will sich von der Formel 1 lösen
Wäre so ein Blitzcomeback Vettels überhaupt realistisch? Der Vater dreier Kinder hat sich bewusst für einen Tempowechsel entschieden. Sein Trainingspensum über den Winter dürfte er nicht auf Formel-1-Niveau absolviert haben. Wozu auch als Formel-1-Aussteiger? Ein Comeback ohne entsprechende Vorbereitung in einem komplett neuen Wagen wie dem AMR23 ist ein Wagnis, das Vettel nicht eingehen muss. Und dann auch noch an der Seite des schwierigen Alonso, der Nachfolger des Deutschen wurde.
«Ich habe insgeheim die Erwartung an mich, auch ohne Formel 1 klarzukommen», hatte Vettel vor dem Ende seiner beeindruckenden Laufbahn gesagt. «Ich bin mir aber bewusst, dass der zweite Schritt in das Leben nach dem Sport viel schwieriger ist.» So kurz nach seinem Formel-1-Abschied ist auch nicht anzunehmen, dass Vettel bereits ausgelotet hat, was das neue Leben in aller Fülle für ihn bereithalten kann.
«Wenn man etwas gerne gemacht hat, darf man daran auch hängen», befand Vettel. «Ich möchte aber den anderen Weg gehen, mich lösen und feststellen: Es gibt genug andere spannende Dinge, ich schaffe es, die nächste Tür aufzumachen und dort mein Glück zu finden.» Dass die Tür nach Bahrain führt, erscheint höchst unwahrscheinlich.
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