Selbst mit der Silbermedaille um den Hals auf dem Siegerpodest konnte Janina Hettich-Walz ihren spektakulären WM-Coup kaum fassen. Wenig später telefonierte sie überglücklich strahlend mit ihrem Mann.
Mit dem besten Rennen ihres Lebens erlöste die 27-Jährige das deutsche Team bei der Biathlon-WM in Nove Mesto und holte im sechsten WM-Rennen die ersehnte Medaille. «Ich kann nicht wirklich begreifen, was ich da heute geschafft habe. Ein unbeschreibliches Gefühl. Ich bin glücklich fürs ganze Team, dass endlich die Medaille da ist», sagte sie nach ihrem grandiosen Lauf zu WM-Silber im Einzel – der ersten Einzelmedaille ihrer Karriere.
Schwierige Tage hatte das Team hinter sich: Eine öffentliche Materialdiskussion, Enttäuschungen und Frust. Doch wie vor elf Jahren, als Andrea Henkel in Tschechien mit Einzel-Silber die erste Medaille fürs deutsche Team holte, könnte dieser Befreiungsschlag der ersehnte Brustlöser sein. Zumal mit der 19 Jahre alten WM-Debütantin Selina Grotian als Vierter und Vanessa Voigt (26) auf Rang fünf zwei weitere DSV-Skijägerin voll überzeugen konnten. «Wir hatten schwierige Tage, alle haben ohne Ende gearbeitet und heute konnten wir zurückschlagen», sagte Hettich-Walz, die nach dem Rennen im Zielraum von allen Teammitgliedern, Trainern und Betreuern schier endlos geherzt wurde. Die Erleichterung, endlich das erste Edelmetall im Gepäck zu haben, war bei allen mehr als greifbar.
Medaille wichtig für das Team
Sportdirektor Felix Bitterling hatte vor dem Rennen das richtige Gefühl, denn im Gespräch mit Co-Trainer Sverre Olsbu Röiseland sagte er einen starken Auftritt von Hettich-Walz voraus: «Mein Gefühl ist, dass Janina heute einen rauslässt», erzählte er hinterher sichtlich erleichtert. Diese Medaille könne viel bewirken im Team.
In den fünf Wettkämpfen zuvor waren Deutschlands Biathletinnen und Biathleten leer ausgegangen und hatten vor allem mit den schlechten Ski gehadert – das war nun anders. Denn die Arbeit und die schonungslose Analyse im Team zeigte Wirkung. Das Material passte bei den schwierigen Bedingungen endlich. «Ein dickes Lob an die Techniker», sagte Voigt, die vor zwei Tagen nach der Verfolgung noch Tränen der Enttäuschung vergoss und von einem unglaublich tollen Rennen ihrerseits sprach. Auch Hettich-Walz fühlte sich «kraftvoll. Das Material war so viel besser», sagte die Sportsoldatin, die zuvor alleine nie unter den Top 15 in einem WM-Wettkampf platziert war.
Selbst Gold schien kurz möglich
Auch auf einem Weltcup-Podest hatte Hettich-Walz vorher nie alleine gestanden, jetzt musste sie sich ohne Schießfehler mit 20,5 Sekunden Rückstand nur der neuen italienischen Weltmeisterin Lisa Vittozzi geschlagen geben. Bronze ging an die Französin Julia Simon, die nach einer Strafminute erstmals bei dieser WM nicht triumphierte.
Hettich-Walz hatte zuvor nur die Plätze 35 und 25 in Sprint und Verfolgung belegt und danach mit sich selbst gehadert. Vor drei Jahren hatte sie mit der Frauenstaffel schon Silber in Slowenien gewonnen. «Bei der WM zählen doch nur die Medaillen, da bin ich super glücklich, dass ich die heute holen konnte», sagte sie. Kurz schien für sie bei ihrem fehlerlosen Auftritt sogar der Titel greifbar, doch auf der Schlussrunde gingen ihr die Kräfte aus und der Rückstand auf Vittozzi wuchs. Die bislang letzte deutsche Weltmeisterin im Einzel war Laura Dahlmeier 2017. Vor zwei Jahren in Peking hatte Denise Herrmann-Wick Olympia-Gold im ältesten Biathlon-Rennen geholt.
Auch Grotian und Voigt fehlerlos
Fast hätte es unter Flutlicht in der stimmungsvollen WM-Arena von Nove Mesto sogar noch mehr Edelmetall gegeben. Das Podest verpassten WM-Debütantin Grotian und die Olympia-Vierte Voigt ebenfalls ganz ohne Schießfehler nur knapp. Gut eine halbe Minute fehlte dem Duo zu Bronze.
«Das ist ein Wahnsinnstag für die Deutschen. Das kann man gar nicht begreifen», sagte Grotian, die im ersten WM-Rennen ihrer Laufbahn erstmals null Fehler in einem Einzel schoss: «Für mich war das wie im Film. Ich kann das gar nicht begreifen.» Sie war auch ohne erfüllte WM-Norm mit nach Nove Mesto gereist und gar nicht mit einem Einsatz gerechnet.
Medaillenkandidatin Franziska Preuß leistete sich zwei Strafminuten und verpasste als Schwächste des deutschen Quartetts auf Rang 15 überraschend die Top Ten. «Das ist mega cool für Janina, mich freut es mega. Es gibt nichts Schöneres, da kann man nur den Hut ziehen», sagte Preuß, die als große deutsche Medaillenhoffnung zum Saisonhöhepunkt gereist war.
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