Hansi Flick hat gerade Urlaub. Aber auch da lässt den hochdekorierten Ex-Bayern-Coach und Bundestrainer in spe der Fußball nicht komplett los.
Im Terminkalender hatte der 56-Jährige schon vor ein paar Wochen beim Datum 15. Juni den abendlichen Besuch des EM-Auftaktspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich vorgemerkt. Das bestätigte Flick am Morgen des Spieltags nochmals der Deutschen Presse-Agentur: «Ja, ich schaue mir das Spiel an!»
Und das vermutlich aus verschiedenen Blickwinkeln, auch wenn sich Flick zu seinen Erwartungen und Emotionen nicht äußern mochte. Der Tag, das Turnier, die Nationalelf – das soll möglichst bis zum Finale am 11. Juli in London weiter alles exklusiv Joachim Löw gehören. Seinem Ex-Chef, dem er 2014 beim WM-Triumph in Brasilien erfolgreich assistiert hatte, drückt Flick auf dessen Abschiedstour die Daumen.
Zu Gast beim Frankreich-Spiel
Deutschland gegen Frankreich – der Aufmarsch vieler großer Spieler in der Münchner Arena veranschaulicht auch Flick nochmal den Übergang, den er mit seinem Wechsel vom FC Bayern zurück zum DFB antritt. Gleich zwölf Akteure in beiden EM-Kadern waren zuletzt noch seine Spieler in München; acht bei Deutschland (Neuer, Süle, Kimmich, Goretzka, Müller, Sané, Gnabry, Musiala), vier bei den Franzosen (Coman, Pavard, Hernández, Tolisso). Anderthalb Jahre lang dirigierte Flick sie zu sieben Titelgewinnen. Beim Wiedersehen zur EM tauschte er aber die Perspektive – vom Spielfeldrand hoch auf die Tribüne.
Jogi unten, Hansi oben. Löw ist froh, dass Flick sein Erbe antritt. «Als es konkret wurde mit Hansi und klar war, dass er Bundestrainer werden möchte, habe ich mich gefreut», sagte der 61-Jährige jüngst im dpa-Interview. Er freute sich für «Hansi», seinen Freund, und für Flick, den Trainer, der «eine sehr gute Entwicklung gemacht» habe.
Löw: «Er ist empathisch»
Löw sieht bei Flick einen doppelten Vorteil. «Hansi kennt den DFB in- und auswendig. Und er kennt nicht erst durch seine Tätigkeit bei Bayern München sehr viele Spieler und hat eine unglaubliche Nähe zu diesen Spielern.» Löw schätzt an Flick dessen Gespür für Menschen. «Er ist empathisch, er findet einen Zugang zu den Spielern durch Kommunikation.» Die menschliche Komponente zeichnet auch Löw aus.
«Und Hansi verfolgt eine klare Spielidee, die geprägt ist von fußballerischer Kultur und von Offensivgeist. Das freut mich ganz besonders», ergänzte Löw. Fußball spielen statt Fußball kämpfen – das war Löws steter Ansatz in 15 oft erfolgreichen Bundestrainerjahren.
«Wunschlösung» Flick
Darum begrüßt Löw die Verpflichtung von Flick, die für DFB-Direktor Oliver Bierhoff die «Wunschlösung» war. «Deutschland soll und muss weiterhin einen technisch guten Fußball spielen – und nicht zu den Wurzeln zurück, die noch vor Jahren über allem anderen standen. Da zählte man allein Kampf und Einsatz zu den deutschen Tugenden. Aber Spielkultur ist Gegenwart und vor allem die Zukunft», sagte der Fußball-Feingeist Löw: «Genau dafür steht Hansi Flick.»
Bayern Münchens Triple-Coach von 2020 soll die Nationalelf wieder titelfähig machen, vielleicht schon bei der Weltmeisterschaft 2022, spätestens aber bei der Heim-Europameisterschaft 2024. Es geht um die Generation Mitte 1990, die gespickt ist mit Bayern-Profis wie Kimmich, Goretzka oder Gnabry und Sané. «In zwei, drei, vier Jahren wird es mit einem Zugewinn an Erfahrung ähnlich sein wie bei unserer Goldenen Generation mit Lahm, Schweinsteiger, Boateng, Khedira, Özil, Kroos, Neuer, Hummels, Müller», prophezeit Löw. Die aktuelle EM-Mannschaft werde «in zwei, drei, vier Jahren auf ihren absoluten Höhepunkt zusteuern», glaubt der scheidende Bundestrainer.
Voller Vorfreude
Als Flick am 25. Mai in der Frankfurter DFB-Zentrale seinen Vertrag bis Mitte 2024 unterschrieb, verwies er ebenfalls auf die ersten Wegmarken seiner Amtszeit. «Meine Vorfreude ist riesig, denn ich sehe die Klasse der Spieler, gerade auch der jungen Spieler in Deutschland. So haben wir allen Grund, die kommenden Turniere, zum Beispiel die Heim-EM 2024, mit Optimismus anzugehen», äußerte Flick.
Bierhoff formulierte den Auftrag an den langjährigen Weggefährten: «Wir haben ein großes gemeinsames Ziel: zurück an die Weltspitze.» Flick wollte diesen Posten, lukrativere Anfragen aus dem Ausland schlug er aus. «Da hat er wirtschaftlich andere Möglichkeiten gehabt», bemerkte Bierhoff. Dem Manager war es wiederum wichtig, «diese Personalie vor der Europameisterschaft klarzumachen».
Löw, Bierhoff und die 26 Spieler können so ohne Nachfolgedebatte ihren aktuellen EM-Job erledigen. Und Flick kann einfach mal im Stadion vorbeischauen. Und beobachten, welche Spieler sich empfehlen für den Neuanfang mit ihm. Aber zu Personalien wie Thomas Müller, Mats Hummels, Spielsystemen und Zielen als Jogi-Löw-Nachfolger will sich der künftige Bundes-Hansi erst «im August detailliert melden». Und richtig los geht’s dann für ihn Anfang September mit den drei WM-Qualifikationsspielen gegen Liechtenstein, Armenien und Island.
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