Neymar macht das, wofür es im brasilianischen Verband und vor allem in der einst so ruhmreichen Nationalmannschaft keinen Grund gibt: Er feiert und freut sich einfach.
Der Superstar lässt sich die gute Laune nicht nehmen, Kritik an seinem ausschweifenden Lebensstil mit seiner jüngsten Kreuzfahrtaktion kontert der verletzte Kapitän der Seleção forsch und für viele auch frech mit viel Spott. «Denen, die nicht mit dabei waren, mein Beileid», schrieb er bei Instagram.
«Überlebenskünstler» Seleção
Anteilnahme am Untergang der Nationalmannschaft und am Verband würde manch einem angebrachter erscheinen. «Das Jahr war geprägt von Chaos hinter den Kulissen, Machtwechseln, Pattsituationen mit anderen Organisationen und, als wäre das alles nicht genug, von peinlichen Ergebnissen im Fußball», schrieb jüngst die brasilianische Sportzeitung «Lance». Die Nationalmannschaft habe negative Rekorde gesammelt und negative Tabus gebrochen.
Als «Überlebenskünstler», bezeichnete das Portal UOL die Seleção: «Aufgrund ihrer Geschichte, der großen Talente des Landes und der Leidenschaft der Menschen für den Sport. Aber die Wahrheit ist, wenn es allein am Verband gelegen hätte, wäre sie bereits gestorben.»
Brasilien nur Sechster in der WM-Qualifikation
Ob mit oder ohne Neymar. Ob mit oder ohne den Fußball-Hochbegabten, der im Gegensatz zu Lionel Messi (Weltmeister mit Argentinien 2022) oder Cristiano Ronaldo (Europameister mit Portugal 2016) bei den großen Turnieren immer wieder scheiterte. Olympiasieger 2016, mehr wurde es nicht. Der «Kicker» nannte Neymar jüngst ein «verschleudertes Phänomen», das vom Nationalhelden zur tragischen Figur geworden sei.
Bei der kommenden Copa América wird er wegen seines Kreuzband- und Meniskusrisses weiter fehlen. Und ob es Brasilien zur WM 2026 in den USA, in Kanada und Mexiko schafft, dürfte – Stand jetzt – wenigstens dank des vergrößerten Teilnehmerfelds von 32 auf 48 Teams klappen. Aktuell ist der fünfmalige Weltmeister, der den Anspruch hat, als Nummer eins in Südamerika in die WM-Endrunde einzuziehen, nur peinlicher Sechster. Aus einem anderen Grund könnte es aber noch richtig eng werden.
Eine Suspendierung des Rekordweltmeisters?
Im Mittelpunkt steht hier nicht Neymar, sondern Ednaldo Rodrigues. Im Juli 2023 hatte er bei der Bekanntgabe des Engagements von Fernando Diniz als Interimscoach noch verkündet, dass Carlo Ancelotti im kommenden Sommer diesen ablösen und die Nationalmannschaft übernehmen werde. Rodrigues wurde aber Anfang Dezember vergangenen Jahres seines Amtes enthoben – von einem Gericht des Bundesstaates Rio de Janeiro.
Dem 69-Jährigen werden Unregelmäßigkeiten bei seiner Wahl vorgeworfen. Die Gerichtsentscheidung wiederum hat die FIFA auf den Plan gerufen, die Einmischung staatlicher Organe in Angelegenheiten ihrer nationalen Mitgliedsverbände kann der Weltverband mit einer Suspendierung bestrafen.
Und so selten kommt das gar nicht vor. 2019 erwischte es Nigeria, nachdem unter anderem der Verbandspräsident dort festgenommen worden war. 2018 wurde Sierra Leone suspendiert, nachdem die Verbandsspitze von der Politik entmachtet worden war. 2017 wurde der pakistanische Verband suspendiert, weil sich Büroräume und Konten des Verbandes unter Kontrolle eines vom Gericht bestellten Verwalters befunden hatten. Alles nur eine kleine Auswahl aus den vergangenen Jahren.
Funktionäre der FIFA und des Kontinentalverbandes Conmebol haben sich bereits in Brasilien angekündigt. Sie wollen die Lage vor Ort checken. Dem Gericht zufolge sollen Neuwahlen organisiert werden, auch das zählt aber zu einer Einmischung in die Belange des Verbandes, die die FIFA sanktionieren kann.
«Glückwunsch CBF»
Die Frage ist: Welcher Trainer wird in so einer Situation die brasilianische Nationalmannschaft übernehmen wollen? Die Zeitung «O Globo» führte schon genüsslich Reaktionen aus dem Netz auf, die den Verband mit Hohn und Spott überschütteten, nachdem Ancelottis Vertragsverlängerung bei Real Madrid bekannt wurde. «Glückwunsch CBF», hieß es unter anderem. Ein weiterer möglicher Kandidat, der Portugiese José Mourinho von der AS Rom, erklärte derweil schon einmal vorsorglich, sich auf seinen Club konzentrieren zu wollen: «Ich habe meinem Berater gesagt, dass er bis zu dem Moment, wo wir wissen, ob ich bleibe, mit niemandem sprechen soll oder mir nichts über mögliche Kontakte sagen soll», sagte er.
Die Bilanz von Diniz, der weiter auch noch Trainer von Fluminense Rio de Janeiro ist, könnte dürftiger jedenfalls kaum sein. Von den sechs Spielen in der WM-Qualifikation gingen zuletzt drei nacheinander verloren. Der Tiefpunkt: Das 0:1 im legendären Maracanã gegen den weltmeisterlichen Erzrivalen Argentinien. Nur zwei Siege holte die Mannschaft unter Diniz. Grund zum Feiern findet da zurzeit wohl nur Neymar.
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