24. November 2024

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Skeletoni Grotheer setzt Gold-Festspiele im Eiskanal fort

Früher war Christopher Grotheer Skispringer, nun rast er mit seinem Skeletonschlitten kopfüber durch den Eiskanal. Der Weltmeister gewinnt bei den Winterspielen in China eine historische Medaille.

Nach seiner Fahrt in die Geschichtsbücher hatte Christopher Grotheer seine Gefühle unter Kontrolle wie zuvor seinen Schlitten im Eiskanal von Yanqing.

Ergriffen sang Deutschlands erster Skeleton-Olympiasieger die Hymne mit, kämpfte nach der Fortsetzung der deutschen Gold-Festspiele erfolgreich gegen die Freudentränen an. Einen Tag nach dem Ende der Rodel-Wettbewerbe mit insgesamt vier Goldmedaillen raste der Weltmeister vor seinem Teamkollegen Axel Jungk zum größten Erfolg seiner Karriere. Bronze gewann der Chinese Yan Wengang.

«Ich habe jahrelang davon geträumt. Das ist alles noch so irreal, aber ich bin stolz auf mich. Dieses Gold habe ich im Kopf gewonnen», sagte Grotheer in ruhigem Ton und versprach: «Nach zwei Bier bin ich auch ein bisschen lockerer.»

Olympia-Gold ist für den Thüringer mit konstantem Ruhepuls der absolute sportliche Jackpot. Und die 20.000 Euro Siegprämie kann er gleich auf zwei Großprojekte aufteilen: Für das neue Haus in der Nähe von Oberhof und für die Hochzeit mit seiner schwangeren Freundin Mary Ann im Mai, die zu Hause ganz ergriffen war und am ARD-Mikro sagte: «Ich bin so stolz auf das, was er geleistet hat. Nicht viele haben an ihn geglaubt.»

Speed-Freak Grotheer – privat fährt er eine 200 PS starke Kawasaki – war in der Bahn nördlich von Peking unantastbar. «Die ersten drei Läufe waren der Wahnsinn, im vierten Lauf ging er auf Nummer sicher», sagte Cheftrainer Christian Baude in der ARD. Am Ende lag Grotheer 0,66 Sekunden vor Jungk. Jahrelang galten Baudes Schützlinge bei Olympia als die Abgehängten, die nicht ablieferten. In Yanqing war alles anders. «Alle waren mega heiß. Wir hatten supergeile letzte zwei Jahre und wollten zeigen, dass wir auch bei Olympia Medaillen gewinnen können», sagte Grotheer.

Jungk musste lange um Teilnahme bangen

Ähnlich hoch wie der Triumph des Polizeibeamten ist die Silbermedaille von Jungk einzuschätzen. Der 30-Jährige vom BSC Oberbärenburg hatte sich nach dem Weltcupfinale in St. Moritz mit dem Coronavirus infiziert, zitterte lange um die Olympia-Teilnahme und konnte sich nicht wie geplant vorbereiten. Auch bei der Einreise nach China lief aufgrund seiner Erkrankung nicht alles reibungslos. «Es hat sich alles ausgezahlt, die ganzen körperlichen Probleme. Das war es wert. Es ist einfach ein unglaublich schönes Gefühl», sagte Jungk.

Schon am Samstag könnte es bei den Skeletonpilotinnen die nächste deutsche Medaille geben. Nach zwei von vier Läufen liegt das Trio Hannah Neise, Tina Hermann und Jacqueline Lölling auf den Plätzen zwei, drei und fünf. Olympia-Debütantin Neise aus Winterberg hat als Zweite 0,21 Sekunden Rückstand auf die führende Australierin Jaclyn Narracott. Weltmeisterin Tina Hermann vom WSV Königssee fuhr am Freitag auf Rang drei und liegt nur zwei Hundertstelsekunden hinter Neise. Die Entscheidung im Medaillenkampf fällt im vierten Lauf am Samstag (14.55 Uhr MEZ).

Grotheer wollte mit 15 noch Skispringer werden

Das Edelmetall hatte Grotheer am Freitagabend (Ortszeit) bereits um den Hals hängen. Und das nur zwei Jahre, nachdem er sich nicht einmal für das deutsche Weltcup-Team qualifiziert hatte. Geradlinig war die Karriere des Routiniers aber ohnehin nicht. Mit 15 Jahren wollte Grotheer noch Skispringer werden. Weil er dafür allerdings zu schwer wurde, wechselte er in den Eiskanal, wo er seit 2012 im Weltcup unterwegs ist.

Bei seiner Olympia-Premiere vor vier Jahren in Pyeongchang war Grotheer noch Achter geworden. Für das Projekt Gold ging der erfahrene Pilot ganz eigene Wege, stellte sogar den Olympia-Schlitten in die Ecke. Mit seinem alten Schlitten lief es für Grotheer deutlich besser. Mit über 130 km/h hatte Grotheer auf dem alten Modell schon am ersten Tag die Spitzengeschwindigkeit im Feld gesetzt und in 1:00,00 Minuten einen Bahnrekord aufgestellt.

Von Frank Kastner und Tom Bachmann, dpa