Auf die Vergleiche mit ihren prominenten Vorgängerinnen hat Selina Grotian gar keine Lust. «Magdalena ist Magdalena, Laura ist Laura – und ich bin Selina, ein Mädchen, das einfach Biathlon liebt», schreibt die 18-Jährige bei Instagram.
Nach viermal Gold bei der Junioren-WM und sogar EM-Gold in der Verfolgung bei den Erwachsenen ist die junge Bayerin in diesem Winter längst zur größten deutschen Nachwuchshoffnung aufgestiegen. Ob sie schnell die Lücke füllen kann, die nach dem Rücktritt von Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick entstanden ist? Oder sogar in die Fußstapfen der noch erfolgreicheren Serien-Weltmeisterinnen Laura Dahlmeier und Magdalena Neuner treten kann?
Es ist viel zu früh, um diese Fragen zu beantworten. Grotian selbst beschäftigt sich ohnehin am wenigsten damit und will lieber ihren ganz eigenen Weg gehen. «Selina ist für ihr Alter in einem sehr fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, und wie sie Ski fährt, ist bemerkenswert», sagte Olympiasieger Arnd Peiffer. Wichtig sei es aber, ihr die Zeit zu geben, «sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln», mahnte der fünfmalige Weltmeister. Der Übergang vom Nachwuchsbereich zu den Profis ist im Biathlon oft sehr anspruchsvoll, nicht selten scheiterten Junioren-Champions nach dem Aufstieg bei den Erwachsenen.
Debüt im Weltcup
Natürlich will Grotian das vermeiden. Sie selbst fühlte sich in den vergangenen Monaten fast wie im Traum, eilte auch als beste Deutsche im zweitklassigen IBU-Cup von Erfolg zu Erfolg und gab am Samstag als jüngste Starterin im gesamten Feld schon ihr Debüt im Weltcup. Beim letzten Sieg von Herrmann-Wick reichte es mit zwei Schießfehlern zu Platz 44. Am Ende eines harten Winters mit vielen Rennen sei es auf der Strecke bei hohen Temperaturen schwer gewesen. Trotzdem stand die Garmisch-Partenkirchnerin am Ende glücklich im Ziel, lächelte und schrieb: «Die tolle Atmosphäre macht hungrig auf mehr!»
Die Vergleiche mit Neuner und Dahlmeier kommen allerdings auch nicht zufällig. Immerhin hat Grotian in Bernhard Kröll den gleichen Heimtrainer wie die Ausnahmekönnerinnen, ihr wird ähnliches Talent hauptsächlich in der Loipe bescheinigt. Der Bayer Kröll weiß wie kaum ein anderer, wie man Spitzenathletinnen formt. Ob Grotian den Durchbruch schafft, werden die nächsten Jahre zeigen. Sicher wird sie nach der verdienten Sommerpause auch in der kommenden Saison viele Chancen bekommen, sich zu beweisen. In der Verantwortung sind im deutschen Frauenteam nach dem Abschied von Herrmann-Wick aber zunächst andere.
Welche Rolle spielt Franziska Preuß?
Mit ihren Erfolgen kaschierte die Sächsin zuletzt viele Defizite. Ohne die 34-Jährige hätte es für die Frauen im abgelaufenen Winter keinen Sieg und keinen Podestplatz in Einzelrennen gegeben. Ganz nah dran war beim Saisonfinale am Sonntag am Holmenkollen Hanna Kebinger, die zum Ende ihres ersten Weltcup-Jahres Vierte im Massenstart wurde. Kebinger, Sophia Schneider und Vanessa Voigt (alle 25) holten bei der WM im Februar in Oberhof Staffel-Silber gemeinsam mit Herrmann-Wick und bilden den neuen Kern des DSV-Teams.
Fraglich ist, welche Rolle Franziska Preuß spielen wird. Die 29-Jährige ist die einzige verbliebene Weltmeisterin, wegen immer wiederkehrender körperlicher Probleme hatte sie ihre Saison aber im Januar abbrechen müssen und wurde von Ärzten gründlich durchgecheckt. Die Wahl-Ruhpoldingerin will zurück in die Weltspitze, ist eine potenzielle Anführerin und bringt wichtige Erfahrung mit. Doch der Körper muss mitspielen.
Und welche Rolle wird Grotian einnehmen? Druck jedenfalls, so betonte es Sportdirektor Felix Bitterling vom Deutschen Skiverband, habe sie keinen. «Sie haben sich super eingefügt», sagte Bitterling über Grotian und Lisa Maria Spark (22), die ebenfalls in Oslo debütierte und eine vielversprechende Zukunft vor sich hat. «Das waren die ersten Starts von vielen, die im Weltcup noch kommen werden», sagte er.
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