Während die einen schon mit viel Vorfreude auf die Olympischen Spiele in Paris hinfiebern, überlegen die anderen noch, wie sie der Stadt für das Mega-Event entfliehen können. Doch wenn der Trubel, die sportlichen Sternstunden und der wochenlange Ausnahmezustand vorbei sind, was bleibt dann? Die Frage treibt viele um, denn Paris und seiner Umgebung drohen große Veränderungen.
Schon seit Monaten schlagen französische Hilfsorganisationen Alarm. Sie werfen den politischen Verantwortlichen eine «soziale Säuberung» der Hauptstadt für die Olympischen Spiele vor. Migranten, Obdachlose, Sexarbeiter sollen unsichtbar gemacht und aus der Nähe der Austragungsstätten vertrieben werden, beklagen sie.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht schrieb der Zusammenschluss mehrerer Organisationen «Le Revers de la Medaille», dass Räumungen behelfsmäßiger Lager von Migranten seit September deutlich zugenommen hätten. Bis Ende Mai habe es in der Hauptstadtregion in diesem Jahr 26 solcher Räumungseinsätze gegeben und damit fast genau so viele wie im gesamten Jahr 2022.
Zeltlager von Obdachlosen
Immer wieder tauchen etwa an den Ufern der Seine Zeltlager von Obdachlosen auf. Bei den zahlreichen Räumungen der vergangenen Monate wurden etliche Menschen in temporäre Auffanglager gebracht – allerdings fernab von Paris und ohne klare Perspektive, wie es danach für sie weitergeht. Hilfsorganisationen fürchten, dass die Menschen erneut auf der Straße landen.
Das System dieser regionalen Auffangzentren wurde im Frühjahr 2023 geschaffen, gelten soll es vorerst bis Ende 2024. Alles wegen Olympia, wie Paul Alauzy von «Le Revers de la Medaille» meint. Auch der Bürgermeister von Orléans, Serge Grouard, beklagte unlängst, Hunderte obdachlose Migranten seien in seine Stadt gebracht worden, um Paris vor Olympia «aufzuräumen». Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castera streitet die Vorwürfe aber ab. «Es gibt keine soziale Säuberung», sagte sie im Sender France 2. Die Räumungen hätten nichts mit Olympia zu tun.
Ob das stimmt, sei schwer zu beurteilen, sagt Claudio Rocha von der Universität Stirling. Der Experte für soziale Folgen von Sport-Mega-Events erklärt, allgemein gebe es zwei Arten von Gastgeberländern: In Entwicklungsländern würden teils massiv Menschen vertrieben. Mit Blick auf die Spiele in Tokio, London oder Paris sehe das aber anders aus. Man solle nicht davon ausgehen, «dass sie arme Menschen vertreiben, nur um ein Stadion zu bauen.» Viel wahrscheinlicher sei, dass ganz spezifische Gruppen verdrängt würden, um das Stadtbild zu ändern. Mittlerweile prüft Frankreichs Stelle für die Verteidigung der Bürgerrechte die Vorwürfe.
Vom Problemviertel zum Olympia-Hotspot
Die deutlichsten Veränderungen durch Olympia dürfte es in dem Pariser Vorort Saint-Denis geben. Saint-Denis liegt im wohl ärmsten und für Kriminalität verschrienen französischen Département Seine-Saint-Denis. Für Olympia bekommt der Ort einen neuen Anstrich. Riesige Investitionen flossen nach Saint-Denis, ein großes neues Schwimmzentrum und Teile des Olympischen Dorfs wurden hier errichtet. Dort, wo im Sommer die Athletinnen und Athleten unterkommen, soll später ein neues Viertel mit Wohnungen, Büros und Geschäften glänzen – wer aus Saint-Denis sich dort jedoch ein Apartment wird leisten können, ist fraglich.
Für die Seine dürfte Olympia ein Segen sein: Schon vor mehr als 30 Jahren hatte der damalige Pariser Bürgermeister und spätere Präsident Jacques Chirac versprochen, dass die Pariserinnen und Pariser wieder in dem Fluss schwimmen werden können. 1923 war dies verboten worden. Lange Zeit wurde daraus nichts. Nun wurde die Wasserqualität verbessert und Schwimmwettkämpfe in der Seine angesetzt. Ein Jahr nach den Olympischen Spielen, ab Sommer 2025, sollen dann alle darin schwimmen dürfen – in neu angelegten Freibädern.
Zu Fuß auf der Place de la Concorde
Mehr Freizeitspaß in der Seine, dafür weniger Autos im Stadtbild – das ist der Wunsch der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Während der Olympischen Spiele werden an der berühmten und vielbefahrenen Pariser Place de la Concorde Wettkämpfe für Breakdance, Skateboard und Basketball ausgetragen. Nach Olympia soll der Platz zum Teil zur Fußgängerzone werden. Die Hälfte der Fläche will Hidalgo dann nicht mehr von Autos befahren lassen.
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