Wirklich ausgelassen dürfte die Party bei der Willkommensfeier für das deutsche Olympia-Team wohl kaum werden.
Wenn am Montagnachmittag der Rest der Tokio-Delegation auf dem Frankfurter Römer eintrifft, bringt sie die schlechteste Medaillenbilanz seit der Wiedervereinigung, zwei Skandale um Funktionäre und noch einen Corona-Schreck vom Schlusstag mit aus Japan. Der verpatzte Endspurt mit den geplatzten Gold-Hoffnungen von Speerwerfer Johannes Vetter und den Bahnsprinterinnen bedeutete am Ende Rang neun im Medaillenspiegel, noch hinter den Niederländern. Und doch befand DOSB-Präsident Alfons Hörmann: «Die sportliche Bilanz ist insgesamt in Ordnung.»
37 Mal Edelmetall
37 Mal Edelmetall, davon zehnmal Gold, elfmal Silber und 16 Mal Bronze – das sind fünf Medaillen weniger als bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro und vier weniger als bei der bisherigen Negativmarke in Peking 2008. Dem erfolglosen Auftritt aller Ballsport-Teams, der Hörmann «weh tut», und dem schwachen Abschneiden früherer Medaillen-Garanten wie Ruderern und Renn-Kanuten sowie im Rad-Velodrom standen nur wenige Ausreißer nach oben entgegen. Tennis-Sensationssieger Alexander Zverev, Weitsprung-Star Malaika Mihambo und die Zweikämpfer um Gold-Ringerin Aline Rotter-Focken konnten die Gesamtbilanz nicht allein retten.
Noch bitterer für den Deutschen Olympischen Sportbund aber waren die Eklats um die rassistischen Ausfälle von Rad-Sportdirektor Patrick Moster gegen zwei afrikanische Teilnehmer im Straßenrennen und das Verhalten von Bundestrainerin Kim Raisner im Fünfkampf-Drama. Moster musste auch auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees die Heimreise antreten. Der Weltverband sperrte ihn bis Jahresende.
Moster und Raisner sorgen für Eklats
Raisner wurde wegen eines mutmaßlichen Faustschlags gegen das verweigernde Pferd von Annika Schleu vom Weltverband von den Tokio-Spielen ausgeschlossen. Schleu ihrerseits sah sich im Netz üblen Hassattacken ausgesetzt. Zu allem Überfluss wurde die Fünfkampf-Sportdirektorin Susanne Wiedemann am Sonntag bei einem Corona-Test positiv getestet und darf Japan vorerst nicht verlassen.
Für das deutsche Team hatten die Spiele schon mit dem Corona-Fall des Radsportlers Simon Geschke begonnen, der tagelang für Unruhe sorgte. Trotz einer Impfung hatte sich der 35-Jährige infiziert und musste in ein Quarantäne-Hotel einziehen, dessen Bedingungen er scharf kritisierte. Am Ende sprach Geschke von der «sinnlosesten Reise» seiner Karriere.
Verbandschef Hörmann, der am Jahresende nach heftiger Kritik aus dem Mitarbeiterkreis nicht mehr zur Wiederwahl antreten wird, stellte dem Tokio-Team trotz allem ein gutes Zeugnis aus. «Großartige sportliche Botschafter» seien die 432 deutschen Athletinnen und Athleten gewesen, versicherte der 60-Jährige. «In der Vertretung ihres Landes sind sie ihrer besonderen Verantwortung gerecht geworden», fügte Hörmann hinzu.
Trotz Corona: Athleten-Lob für Tokio-Spiele
Viele der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich nach den Ängsten vor der Abreise ebenfalls angetan. «Trotz Corona-Maßnahmen und Corona-Regeln haben mir diese Spiele hier vom Ablauf und vom Miteinander viel, viel besser gefallen als die Spiele damals in Rio», sagte Schwimm-Olympiasieger Florian Wellbrock. Auch Ringer Frank Stäbler, der zum Ende seiner Karriere doch noch Olympia-Bronze eroberte, schwärmte: «Als ich im Dorf angekommen bin, habe ich sofort gemerkt, Olympia beginnt, hier kommt die Welt zusammen. Für die Umstände bin ich begeistert.»
Das unterstrich auch Delegationsleiter Hörmann. Die Erwartungen an die wegen Corona um ein Jahr verschobenen Not-Spiele seien «erfüllt und übererfüllt» worden. Im Athleten-Dorf sei der olympische Geist spürbar gewesen, die Wettkampfstätten beschrieb der DOSB-Chef als «einzigartig». Zudem lobte er die Gastfreundschaft der Japaner, die selbst aus den Arenen ausgesperrt blieben. Hörmann räumte aber auch ein: «Der völkerverbindende, ganzheitlich emotional berührende Moment wie bei anderen Spielen war in Pandemie-Zeiten schlichtweg nicht möglich.»
Sportlich soll nun laut Hörmann eine «saubere und lückenlose Analyse» folgen. Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig erhofft sich einen Schub durch die Leistungssportreform, die mit Wirkung zum 1. Januar 2022 vollständig umgesetzt werde, und durch stärkere wissenschaftliche Unterstützung. «Hier sehen wir noch großes Potenzial», sagte der Leistungssport-Vorstand des DOSB. Zudem mahnte er an, das System der Sportförderung zu «vereinfachen und entbürokratisieren», wie es bei einigen internationalen Konkurrenten der Fall sei.
Viel Zeit zum Nachsteuern bleibt den deutschen Sommersport-Verbänden indes nicht. Bis Paris 2024 sind es nur drei Jahre. «Ein sehr überschaubarer Zeitraum», warnte DOSB-Präsident Hörmann.
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