Die Schulaufgaben ihrer neun Jahre alten Tochter wollte Tennisspielerin Tatjana Maria nach ihrem hart erkämpften erstmaligen Achtelfinaleinzug in Stuttgart lieber verschieben.
«Eigentlich hätte ich heute noch Schule machen sollen mit Charlotte. Aber ich glaube, das machen wir morgen», sagte die 35-Jährige, als sie bei ihrem ersten Auftritt beim Sandplatz-Turnier in ihrer schwäbischen Heimat seit elf Jahren mit dem 6:2, 4:6, 7:6 (7:4) die Schweizer Qualifikantin Ylena In-Albon niedergerungen hatte.
Als zweifache Mutter reist die Wimbledon-Halbfinalistin von 2022 um die Welt. Auch die gerade erst zwei Jahre alt gewordene Cecilia ist natürlich immer dabei. «Gott sei Dank ist die Oma da. Meine Brüder sind da, meine ganze Familie ist da. Das hilft in dieser Woche», räumte die 35-Jährige aus Bad Saulgau ein.
Derzeit zweitbeste deutsche Tennisspielerin
Generell ist der Schwäbin Familie und Profisport aber nicht zu viel. Im Gegenteil. «Allgemein puscht mich meine Familie riesig», sagte die momentan zweitbeste deutsche Tennisspielerin und erkennt einen Trend: «Es kommen so viele wieder zurück, die ein Kind bekommen haben. Es werden immer mehr und mehr.» Immer mehr würden erkennen, dass man auch als Frau länger professionell Tennis spielen kann.
Das hat auch die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin Angelique Kerber vor, die Ende Februar ihre Tochter Liana bekam und mit einem Comeback noch in diesem Jahr liebäugelt. Die frühere japanische Nummer eins der Welt, Naomi Osaka, ist gerade schwanger, kündigte aber ebenfalls an, zurückkehren zu wollen. Schon seit Jahren tourt die Belarussin Victoria Asarenka mit ihrem Sohn um die Welt. Die berühmteste der Mütter im Tennis ist US-Star Serena Williams, die vergeblich den nächsten Grand-Slam-Titel jagte.
«Ich hätte nicht mehr gespielt», erklärte die Sportliche Leiterin des Stuttgarter Turniers, Anke Huber (48), frühere Weltklasse-Spielerin – und meinte: als Mutter. «Aber der Trend geht vielleicht da hin. Ich finde es auch gut, dass man die Chance hat oder sich selbst die Chance gibt, weiterzuspielen, wenn man den Ehrgeiz hat und es noch mal beweisen will. Warum nicht? Ich glaube, man kann das schon händeln.» Das beweise ja Maria. «Sie ist eher stärker geworden, seitdem sie Mutter geworden ist, und vielleicht auch entspannter.»
Maria kann ein Vorbild sein. Erst vor kurzem feierte sie ihren dritten WTA-Titel im kolumbianischen Bogotá. Am Wochenende glückte ihr mit der deutschen Tennis-Auswahl im Billie Jean King Cup die Qualifikation für die Endrunde. Sogleich folgte für sie der erste Auftritt bei ihrem Heimturnier in Stuttgart seit 2012, wo ihr bis Dienstag noch kein Hauptrundensieg gelungen war. Gegen Außenseiterin In-Albon saß ihr Mann und Trainer Charles Edouard Maria wie gewohnt in der Box und gab ihr Tipps. Am Donnerstag trifft Maria nun auf die Französin Caroline Garcia.
Nur selten Mütter im Profitennis
Noch immer sind Mütter im Profitennis eine Seltenheit. 2009 beispielsweise gewann zwar die Belgierin Kim Clijsters als Mutter die US-Open, oft war aber mit der Schwangerschaft die Karriere vorbei. Babypausen stehen mit im Reglement der WTA. Wie Verletzte können die Spielerinnen zwölf Turniere, darunter zwei Grand Slams, mit der alten Weltranglistenposition spielen, sofern sie mindestens ein Jahr pausieren. Sie müssen sich also nicht mehr bei kleineren Turnieren durch die Qualifikation quälen.
Maria geht das nicht weit genug. Auch in Stuttgart setzt sie sich weiter für spezielle Regeln ein. «Momentan hat sich noch nichts verändert. Ich bin immer noch dran, dass es Regeln gibt für nach der Schwangerschaft. Ich denke, das ist mittlerweile sehr, sehr wichtig», sagte sie. Auch eine Kinderbetreuung bei weiteren größeren Turnieren fände sie hilfreich. Bei den vier Grand-Slam-Events ist dies eine Selbstverständlichkeit.
Maria selbst verbringt mit ihrer älteren Tochter auch viel Zeit auf dem Trainingsplatz. Charlotte gilt als besonders talentiert. Für sie freue es sie besonders, dass sie erstmals seit elf Jahren wieder in Stuttgart antrete. «Sie ist mittlerweile in einem Alter, wo sie alles realisiert. Es ist super-speziell», sagte Maria. Sie räumte mit Blick auf das Familienleben auf der Tour aber auch ein: «Wer selber Kinder hat, weiß, dass da nicht immer alles perfekt ist. Doch das ist gerade das Schöne daran.»
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