Der Mann, der Schalke wieder zum Leben erweckt hat, war müde und schlapp. Für Gedanken an die kommenden Derby-Wochen, die den FC Schalke 04 endgültig zurück in den Kampf gegen den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga bringen sollen, war Thomas Reis noch nicht bereit.
«Heute fällt es mir schwer, schon über das nächste Spiel zu reden, denn mich hat das Spiel heute sehr viel Energie gekostet», sagte der Schalke-Coach und Ex-Trainer des nächsten Kontrahenten VfL Bochum. Das so wichtige 2:1 (2:0) gegen den VfB Stuttgart nach zuvor vier torlosen Unentschieden sei eine riesige Befreiung, meinte Reis: «Danach hat Schalke gelechzt.»
So abgekämpft der 49-Jährige nach dem ersten Sieg nach dreieinhalb Monaten für den Tabellenletzten auch gewesen sein mag – als Energiespritze für den gesamten Club taugte der Erfolg gegen den direkten Konkurrenten allemal. Mit Spielende setzte der Großteil der 62 271 Zuschauer in der ausverkauften Arena eine Wucht frei, die kaum ein anderes Stadion in Deutschland entfachen kann. Auch aus dem wild herum springenden Reis war es im ohrenbetäubenden Jubel herausgeplatzt, die Fankurve besang zusammen mit den Spielern in rekordverdächtigen Dezibel-Stärken wenig später den «Mythos vom Schalker Markt».
Viele Emotionen
Selbst gestandene Männer wie Torhüter Ralf Fährmann (34), der das Spiel gegen lange emotionslose Schwaben mit einem groben Patzer bei Borna Sosas Anschlusstor (63.) noch einmal unnötig spannend gemacht hatte, begannen zu schluchzen. «Ich hatte auch extrem Gänsehaut und habe es auch bei Ralle gesehen – da sind auch ein, zwei Tränen geflossen», sagte der ergriffene Mittelfeldspieler Tom Krauß. Fährmann meinte: «Das ist Schalke, das geht unter die Haut und gibt dir Kraft, Tiefen zu überstehen.»
Jedem war spätestens jetzt klar: Dieses Schalke hat nicht ansatzweise etwas mehr mit dem Team zu tun, das sich vor zwei Jahren ohne Fans im Rücken während des Corona-Lockdowns völlig willen- und wehrlos dem Abstieg ergab. «Ich glaube, dass uns das jetzt noch mehr Kraft gibt», sagte Krauß.
Noch vor wenigen Wochen schien Schalke wieder mausetot. Doch Reis, der Schalke nach dem missglückten Missverständnis mit Vorgänger Frank Kramer erst Ende Oktober übernommen hatte, gelang eine bemerkenswerte Entwicklung. Auch dank sechs Winter-Zugängen machte er aus dem Team, das noch vor einem Monat 1:6 gegen Leipzig unterging, ein defensives Bollwerk. Die vier 0:0 in Serie zuletzt brachten Schalke zwar in der Tabelle noch nicht entscheidend voran, stärkten aber das Selbstbewusstsein und schufen die Erkenntnis, wieder konkurrenzfähig in der Bundesliga zu sein.
Entwicklung zu erkennen
Die Entwicklung ging nun gegen den VfB konsequent weiter. Endlich gelangen auch im Angriff die Dinge, die Reis im Training erarbeitete. Dominick Drexler (10.) beendete so eine 414-minütige Torflaute, und Marius Bülter (40.) gelang sogar ein Zaubertor. «Das ist besonders toll zu sehen, dass die Jungs erkennen können, dass der Alte vielleicht doch recht hat mit dem, was er sagt», meinte Reis, dessen Plan voll aufging. Bis auf drei Punkte ist sein Team nun wieder an den Nicht-Abstiegsplätzen herangerückt.
«Wir haben jetzt in den nächsten Spielen die Chance, mit weiteren Punkten weitere Mannschaften heranzuholen», bemerkte Reis. Motivieren muss er dafür niemanden. Dafür sorgen schon die Namen der Erzrivalen, die bei jedem Schalker ein Funkeln in den Augen verursachen: VfL Bochum und Borussia Dortmund. «Wir sind auf dem aufsteigenden Ast. Deswegen darfst du aber keinen Meter weniger machen», bekräftigte Reis, den vor allem bei seinem Ex-Club Bochum ein spezielles Spiel erwartet.
Doch darüber wollte er an diesem besonderen Abend wirklich noch nicht reden. «Ich möchte mit Schalke 04 Erfolg haben. Das andere ist Vergangenheit», sagte der langjährige Bochumer kühl.
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