Roger Federer fordert es seit Jahren, für Rafael Nadal wäre es «großartig», und laut Billie Jean King eine «Vision für das Tennis».
Nicht nur die prominenten Befürworter würden einen Zusammenschluss der Profitennis-Organisationen für Herren (ATP) und Damen (WTA) lieber heute als morgen umsetzen – doch zu welchem Preis? Auch bei einem unmoralischen Angebot? Die zwei Milliarden Euro, mit denen das von Menschenrechtsorganisationen stark kritisierte Saudi-Arabien offenbar im ganz großen Stil ins Profitennis investieren will, hat die Szene in Aufruhr versetzt.
«So ein Angebot ist erst einmal eine Chance», sagte Präsident Dietloff von Arnim vom Deutschen Tennis Bund (DTB) der Deutschen Presse-Agentur. Doch er betonte: «Was immer auch kommt, es kommt etwas Neues – und da können nicht nur Gewinner dabei sein.» Der ohnehin längst schwelende Machtkampf der unterschiedlichen Tennis-Organisatoren droht mit dem Mega-Angebot zu eskalieren.
Zwei Milliarden US-Dollar für Masters-Turniere
Der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) bietet einem Bericht der britischen Zeitung «Telegraph» zufolge zwei Milliarden US-Dollar für die Masters-Turniere. Dabei handelt es sich um Events der zweithöchsten Kategorie hinter den vier Grand Slams, die bislang von ATP und WTA getrennt veranstaltet werden. ATP-Vorstandsmitglied Herwig Straka bezeichnete die kolportierte Zahl bei der österreichischen Nachrichtenagentur APA zwar als «falsch». Konkreter könne er aber nicht darauf eingehen.
Angeblich ist dieses Angebot nur 90 Tage gültig. Klar ist: Es wäre eine Konkurrenz für ein mögliches Premier-Tour-Modell, über das die Verbände zuletzt diskutiert hatten. Ein Zusammenschluss von ATP und WTA war schon im Vorjahr ein Thema gewesen – damals laut «Telegraph» allerdings mit der Prämisse, eine mögliche eigene Turnierserie durch das Königreich wie im Golfsport zu verhindern. Dort hatte die milliardenschwere Gründung der LIV Tour zu einer Spaltung geführt.
Saudi-Arabien investiert über seinen Staatsfonds seit Jahren massiv in den Sport und ist unter anderem auch bereits ins Fußball-, Box- und Formel-1-Geschäft groß eingestiegen. Offizielle Ziele des Staatsplans «Vision 2030» sind die Diversifizierung der Wirtschaft, weniger Abhängigkeit vom Öl, eine Öffnung des Landes auch für Touristen und attraktive Angebote für die eigene Bevölkerung. Doch dem Königreich wird auch vorgeworfen, mit dem Engagement im Sport von seinen Verstößen gegen Menschenrechte abzulenken und sein Image verbessern zu wollen.
Aktuell steigert Saudi-Arabien aber eher seinen Einfluss in den bestehenden Tennis-Strukturen – und das sehr erfolgreich. Spaniens Topstar Nadal wurde als Tennis-Botschafter des Landes gewonnen. Seit Februar besteht zudem eine mehrjährige strategische Partnerschaft mit der ATP, der saudische Staatsfonds taucht unter anderem als Namenssponsor der Weltrangliste und als offizieller Partner bei großen Turnieren wie dem aktuell stattfindenden Masters in Miami auf.
Bekannt ist zudem, dass Saudi-Arabien sein eigenes Masters-Event Anfang Januar vor den Australian Open abhalten will. Schon jetzt finden in Dschidda die Next Gen Finals, der Jahresabschluss der besten Profis unter 21 Jahren, statt. Dem Vernehmen nach dürften auch die WTA-Finals der acht besten Spielerinnen des Jahres in Zukunft in Riad ausgetragen werden.
Showturnier schon fix
Bereits offiziell verkündet ist der «Six Kings Slam», ein Showturnier im Oktober, bei dem die Topstars der Branche wie Nadal, Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Jannik Sinner und Daniil Medvedev teilnehmen sollen. Dort gibt es zwar keine Weltranglistenpunkte, aber eine hohe Gage. Spekuliert wird über 1,5 Millionen Euro Startgeld und 6 Millionen Euro für den Gewinner. Doch nicht nur deswegen sei das Ganze eine gute Idee, meinte der Russe Medwedew: «Wir können den Tennissport größer machen, interessanter für die Leute.»
In dem umstrittenen ATP-Chef Andrea Gaudenzi scheint Saudi-Arabien einen mächtigen Verbündeten zu haben. Der Italiener soll jüngst bei Gesprächen in Indian Wells über das Milliarden-Angebot informiert haben – ohne die Verantwortlichen der Grand Slams in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York einzubeziehen. Ärger ist programmiert, denn der Kuchen, von dem nun ein weiterer Big Player etwas abhaben möchte, wird nicht größer.
«Es ist so, dass wir uns im Tennis wegen des Kalenders angreifbar machen und jeder seine Pfründe sichern will», sagte DTB-Chef von Arnim. Doch noch sei vieles im Unklaren. «Die konkreten Pläne liegen bisher nicht auf dem Tisch», sagte er: «Die ATP wird im April ein Meeting in Madrid abhalten und dann vielleicht weitergehend informieren.»
Die WTA ließ auf dpa-Anfrage mitteilen, dass auch Angebote aus Saudi-Arabien geprüft würden. Es gebe aktuell «eine Welle des Interesses von Fans und Partnern auf der ganzen Welt am Frauensport». Das viele Geld aus Saudi-Arabien würde die Bemühungen für ein Equal Pay (gleiche Bezahlung für Frauen) auch abseits der Grand-Slam-Turniere deutlich erleichtern. Doch die Tennis-Ikonen Chris Evert und Martina Navratilova mahnten kürzlich in einem gemeinsamen Brief an WTA-Boss Steve Simon: WTA-Finals in Saudi-Arabien wären «unvereinbar mit dem Spirit und dem Auftrag des Damen-Tennis und der WTA».
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