22. November 2024

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Rodel-Sport trauert: «Goldschmied» Sepp Lenz gestorben

Sie nannten ihn den «Goldschmied» vom Königssee: Der Rennrodelsport hat Sepp Lenz ein ganzes Leben begleitet. Jetzt ist der langjährige Bundestrainer gestorben.

An seiner geliebten Eisbahn bleibt der Stammplatz des «Goldschmieds vom Königssee» nun leer. Der Kufensport trauert um den Rodel-Pionier und langjährigen Bundestrainer Sepp Lenz, der in seiner bayerischen Heimat im Alter von 88 Jahren gestorben ist.

«Mit seinem enormen Fachwissen führte er Generationen von Athleten zum Erfolg und sorgte dann auch als Eismeister für faire Wettkämpfe», sagte IOC-Präsident Thomas Bach, der sich von Lenz‘ Leidenschaft für den Rodelsport nach eigenen Worten anstecken ließ.

Lenz war 30 Jahre lang Bundestrainer. Unter seiner Regie gewannen deutsche Rodlerinnen und Rodler zwischen 1965 und 1995 insgesamt 96 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften. Überdies war der frühere Rodler Experte für den Bau von Kunsteisbahnen. «Wir haben viel von ihm gelernt, nicht nur beim Ausbau der Bahnen, sondern vor allem auch als Mensch», sagte Weltverbandschef Einars Fogelis der Deutschen Presse-Agentur.

Rodel-Idol Hackl erfuhr vom Tod seines ehemaligen Trainers im Urlaub in Spanien und reagierte fassungslos: «Ich muss das erstmal sacken lassen.» Lenz starb in der Nacht auf den 4. Mai.

Idee für einen Eiskanal

Am liebsten erzählte Sepp Lenz über die Anfänge des Rodelsports zu Beginn der 50er-Jahre. Mutige Kerle rodelten damals auf der Straße ins Königsseer Tal. «Wir hatten eine Ampel, wo die Autos warten mussten, und dann haben wir die gefährlichen Hauswände mit Strohballen geschützt», erzählte Lenz.

Mit seinem Vater und seinem Bruder kam er 1959 auf die Idee, zwischen dem mächtigen Watzmann-Massiv und dem Grünstein eine Rodelbahn aus Eisblöcken zu bauen. Neun Jahre später wurde sie zur ersten Kunsteisbahn der Welt umgebaut. Seitdem ging er bis ins hohe Alter fast täglich an die Bahn, wenn er nicht gerade als Sportler und Trainer unterwegs war.

Das Sportgerät ließ ihn seitdem nicht mehr los – trotz mancher Schicksalsschläge. Drei Einzeltitel und zwei deutsche Meisterschaften im Doppelsitzer holte Lenz, 1962 wurde er Einsitzer-Europameister. 1964 bei den Winterspielen in Innsbruck eroberte Rennrodeln die olympische Bühne, doch die Premiere endete für Lenz und seinen Partner Josef Fleischmann bitter. Die Doppelsitzer verunglückten, Fleischmann erlitt eine Gehirnprellung, Lenz wurde am Arm schwer verletzt.

Nach eineinhalb Jahren im Krankenstand wurde Lenz Bundestrainer – zunächst noch halbjährig. «Die restliche Zeit bin ich meinem Beruf als Schiffsführer auf dem Königssee nachgegangen», sagte der gelernte Sattler.

Folgenschwerer Unfall im Eiskanal von Winterberg

1992 holte sein Schützling Hackl den ersten von drei Olympiasiegen. Vor der Wiederholung zwei Jahre später in Lillehammer geschah das Unglück: Ende 1993 wurde Lenz auf der Kunsteisbahn in Winterberg beim Schneefegen von einem Schlitten erfasst – und verlor einen Unterschenkel. «Ich war halt eine Sekunde zu spät.»

Er jammerte nicht, stand nach nicht einmal zwei Monaten beim zweiten Olympiasieg von Hackl wieder an der Bahn. Über seine Bein-Prothese redete er nicht viel. «An sie habe ich mich schon lange gewöhnt, sie bereitet mir keine Probleme.»

1995 gab Lenz das Traineramt an seinen Co-Trainer Thomas Schwab ab. Für den heutigen Vorstandsvorsitzenden des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland war Lenz «Trainer, Lehrmeister und Vaterfigur in einer Person».

Auch wenn Sepp Lenz viele Würdigungen wie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse oder den Bayerischen Sportpreis in der Kategorie «Sportliches Lebenswerk» bekam – er blieb immer bescheiden. Und er genoss das Leben im Kreise seiner Familie in Schwöb am Königssee mit Frau Annelies und seinen drei Töchtern. Den geplanten Wiederaufbau seiner 2021 teilweise durch eine Lawine zerstörten Heimatbahn am Königssee wird er nun nicht mehr erleben.

Frank Kastner, dpa