Schon Minuten nach dem heißen Ritt durch die Pyrenäen sah Tadej Pogacar wieder ganz entspannt aus. Abgezockt hatte der 22 Jahre junge Titelverteidiger zuvor alle Attacken abgewehrt und im Ziel im Fürstentum Andorra nur einen kleinen Schluck Wasser zur Erfrischung gebraucht.
«Am wichtigsten war es für mich, nicht die Nerven zu verlieren und einfach cool zu bleiben», sagte Pogacar, der nun wieder über fünf Minuten vor der Konkurrenz liegt.
Bei Temperaturen von über 30 Grad verzichtete der Slowene auf dem Weg in Europas höchstgelegene Hauptstadt auf eine Machtdemonstration wie in den Alpen, kontrollierte das Renngeschehen beim Sieg des Amerikaners Sepp Kuss aber souverän. Als hätte der fast 192 Kilometer lange Ritt durch das Hochgebirge keine Energie gekostet, radelte Pogacar direkt im Anschluss entspannt auf der Rolle aus.
Pogacar pariert alle Attacken
Wirklich zu schaffen machten dem Dominator weder die Hitze noch die ständigen Attacken seiner drei Verfolger Rigoberto Uran (Kolumbien), Richard Carapaz (Ecuador) und Jonas Vingegaard (Dänemark), die fortan wohl nur noch um Gesamtplatz zwei auf den Pariser Champs-Élysées kämpfen. «Ich habe mich gut gefühlt und ich habe mir keine Sorgen am letzten Berg gemacht», sagte Pogacar, der die kurze Schwäche am Mont Ventoux vom Mittwoch mit dieser Leistung wieder vergessen machte und in der dritten Woche unantastbar bleiben dürfte. «Es war ein guter Tag. Es ist klasse, dass der Abstand weiter so groß ist»
Auf dem Weg zum steilen Col de Beixalis, von dessen Gipfel es noch 15 Kilometer bergab ins Ziel ging, hatten es Uran, Carapaz und Vingegaard nach guter Vorbereitung des Ineos-Team immer wieder versucht – doch Pogacar war stets auf der Höhe und ließ sich auch ohne Unterstützung seines eigenen UAE-Teams zu keinem Zeitpunkt abhängen.
Hart erkämpfter Etappensieg für Sepp Kuss
An der Spitze fuhr Jumbo-Visma-Profi Kuss derweil zum hart erkämpften Sieg, den auch der 41 Jahre alte Routinier Alejandro Valverde mit seinen Künsten in der Abfahrt nicht mehr verhindern konnte. Noch vor der Zielüberfahrt warf Kuss vor Freude seine Sonnenbrille ins Publikum. «Das ist unglaublich. Um ehrlich zu sein, habe ich sehr viel leiden müssen bei dieser Tour. Ich habe mir diese Etappe früh ausgesucht. Ich bin so glücklich», sagte der Amerikaner, der eigentlich als Berghelfer von Pogacars Landsmann Primoz Roglic nach Frankreich gereist war.
Dass Pogacar und Co. diesmal nichts mit dem Tagessieg zu tun haben, wurde schon früh am Tag klar. In einer 32-köpfigen Spitzengruppe befanden sich zahlreiche Topteams und Spitzenfahrer wie Weltmeister Julian Alaphilippe und Allrounder Wout van Aert, aber kein einziger Gesamtklassement-Fahrer, der dem Gelb-Träger bei zu viel Vorsprung hätte gefährlich werden können.
Ebenfalls nicht vertreten waren die Deutschen, die nach dem furiosen Tagessieg von Nils Politt auf einen zweiten Coup hoffen. Der frühere Gesamtvierte Buchmann hatte schon morgens angekündigt, dass er auf dem Weg nach Andorra andere Ziele verfolge. «Ich hoffe, dass ich nach dem Ruhetag wieder richtig fit bin. Ich will so lange wie es geht an der Seite von Wilco sein», sagte Buchmann. Falls es das Leichtgewicht noch auf einen Tagessieg abgesehen hat, müsste dies in der Finalwoche gelingen. Eine gute Nachricht gab es: Der schwer gestürzte und noch immer lädierte Tony Martin nahm am Sonntag das Training wieder auf.
Nach der Pyrenäen-Etappe nun ein Ruhetag
Nach der turbulenten und heißen Auftakthatz in den Pyrenäen ist nun erst einmal Regeneration angesagt. Der Ruhetag in Andorra wird dem Peloton um Pogacar eine kurze Verschnaufpause einräumen, bevor es am Mittwoch und Donnerstag noch einmal richig schwer wird. Die beiden Bergankünfte am Col du Portet und in Luz Ardiden zählen zu den anspruchsvollsten Etappen der diesjährigen 108. Ausgabe der Tour. Pogacars Vorsprung gepaart mit seiner extrem starken Verfassung dürften den Champion unangreifbar machen, doch auch die beiden Podestplätze in Paris bleiben heiß begehrt.
Am Samstag hatten sich die Favoriten auf dem Weg nach Quillan noch schonen können, das Profil war eher hügelig und für Ausreißer gemacht. Der Mann des Tages wurde der Niederländer Bauke Mollema, der ein Solo mit dem Sieg krönte. Rang zwei ging an den Österreicher Patrick Konrad, der Franzose Guillaume Martin hatte sich auf Gesamtrang zwei hinter Pogacar verbessert. Doch das hatte nicht lange Bestand, schon auf dem Weg nach Andorra verlor der Franzose die Position wieder.
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