21. November 2024

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Olympioniken fahren heim – Japans Regierung in der Kritik

Die Olympischen Spiele in Tokio sind Geschichte. Derweil dauert die zuletzt verschärfte Corona-Lage in Japan an. Die Regierung des Landes bedankt sich wie die Olympioniken beim Volk, dass die Spiele stattfinden konnten. Können bei den Paralympics Zuschauer dabei sein?

Die olympische Familie hat Tokio verlassen, zurück bleiben Sorgen der Japaner über die Corona-Pandemie, Kritik an ihrer Regierung, aber auch ein Gefühl von Stolz sowie Dankbarkeit unter den Athletinnen und Athleten.

«Obwohl die Olympischen Spiele um ein Jahr verschoben und mit einigen Einschränkungen ausgetragen wurden, glaube ich, dass wir unserer Verantwortung als Gastgeberland gerecht werden konnten», sagte Regierungschef Yoshihide Suga am Montag in Nagasaki am Rande des Gedenkens für die Opfer des amerikanischen Atombombenabwurfs auf die Stadt vor 76 Jahren. «Ich möchte dem japanischem Volk meinen aufrichtigen Dank für ihr Verständnis und ihre Zusammenarbeit aussprechen», sagte Suga.

Kritische Stimmen

Japans Steuerzahler waren von den Olympischen Spielen im eigenen Land ausgeschlossen worden. Dabei dürften es am Ende sie sein, auf die ein beträchtlicher Teil der aus dem Ruder gelaufenen Kosten zukommen wird. «Ich werde nicht vergessen, dass ich dank viel Unterstützung und Kooperation auf der ersehnten Olympia-Bühne stehen konnte. Ich bin wirklich sehr dankbar», so die japanische Boxerin Tsukimi Namiki, die Bronze im Federgewicht gewann. «Ich weiß, dass die Japaner auch nach einjähriger Verschiebung durchgehalten und viel geopfert haben, damit die Spiele stattfinden», wurde der chinesische Sprinter Su Bingtian zitiert. Dies sei ein «Zeichen der Stärke des japanischen Volkes», sagte er. «Als Sportler müssen wir dafür sehr dankbar sein.»

Es gab jedoch am Tag nach der Abschlussfeier auch kritische Stimmen. Die japanische Tageszeitung «Asahi Shimbun», die eine der Sponsoren der Spiele war, verwies am Montag in einem Leitartikel auf die andauernde kritische Corona-Lage in Japan. Managementfehler der Regierung von Regierungschef Yoshihide Suga und die «erzwungene Abhaltung der Olympischen Spiele markierten ein tiefes Misstrauen und eine Spaltung in der Gesellschaft.» Dies zu beheben, sei «die größte Herausforderung, der sich die Politik stellen sollte», hieß es.

Olympischer Orden auch für Premier Suga

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte nicht nur wie üblich Organisationschefin Seiko Hashimoto zum Ende mit dem olympischen Orden in Gold ausgezeichnet, sondern auch Premier Suga und Tokios Gouverneurin Yuriko Koike. In der Zeit der Corona-Pandemie habe das IOC die Unterstützung der japanischen Behörden benötigt und «immer darauf vertrauen» können, begründete IOC-Präsident Thomas Bach am Sonntag zum Abschluss der Olympischen Spiele die Entscheidung. Der Orden ist die höchste Auszeichnung der olympischen Bewegung.

Während die japanischen Athletinnen und Athleten eine Rekordzahl an Goldmedaillen eingefahren und für eine feierliche Stimmung angesichts der Pandemie gesorgt hätten, sei Suga weit von Gold entfernt, meinte dagegen die Nachrichtenagentur Kyodo. Sugas politisches Schicksal stehe «auf dem Spiel». Letztlich hätten die Spiele einen negativen Einfluss auf Suga gehabt, wurde Iwao Osaka, Professor für politische Kommunikation an der Universität Komazawa, zitiert. Dass die Neuinfektionen während der Spiele sprunghaft angestiegen seien, sei für die Regierung «politisch ein Misserfolg».

Kritik am Corona-Management der Regierung

Am Schlusstag der Spiele wurden 4066 Neuinfektionen in Tokio vermeldet und damit am fünften Tag in Folge mehr als 4000. Am Tag der Eröffnungsfeier waren es 1359 gewesen. Die eigentlich im vergangenen Jahr geplanten Spiele in Tokio waren wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr auf diesen Sommer verschoben worden. Trotz großen Widerstandes in der japanischen Bevölkerung und steigender Infektionszahlen hatten die Olympia-Macher an der Austragung des Spektakels festgehalten. Zuschauer blieben von den Wettkampfstätten in Tokio ausgeschlossen.

Viele Experten in Japan werfen der Regierung Suga vor, es versäumt zu haben, während der Olympischen Spiele der Bevölkerung ein Krisenbewusstsein zu vermitteln. Als Folge seien die Infektionszahlen angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante des Virus rasant gestiegen. «Das Vertrauen der Menschen in die Regierung ist gesunken», sagte der Politologe Yu Uchiyama der Universität Tokio.

Paralympics mit Zuschauern?

Gespannt wird in Japan jetzt nach Abschluss der Spiele abgewartet, ob die Paralympics anders als die Olympischen Spiele mit Zuschauern stattfinden können – wenn sie denn überhaupt stattfinden können. Wie der Fernsehsender NHK am Montag berichtete, war ein Teilnehmer aus Ghana in der Nacht zum Montag am Flughafen positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Sugas Amtszeit als Chef seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) endet am 30. September, also kurz nach den Paralympics. Spätestens am 21. Oktober stehen Wahlen zum mächtigen Unterhaus des nationalen Parlaments an. Politische Beobachter in Japan rechnen damit, dass die LDP bei der Wahl zwar Sitze einbüßen wird. Doch halten sie es angesichts der Zersplitterung der Opposition und der allgemeinen politischen Apathie bei den Wähler für unwahrscheinlich, dass sie die Mehrheit im Unterhaus zusammen mit ihrem kleineren buddhistischen Koalitionspartner Komeito einbüßen wird. Auch halten es manche für möglich, dass die LDP Suga aus Mangel an Alternativen im Amt lässt.

Von Lars Nicolaysen, dpa