23. November 2024

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Oho und Kritik: Schröders Basketball-Welt mit «Bruder» Theis

Dennis Schröder und Daniel Theis bezeichnen sich als Brüder. Die Bilder ihres hitzigen Gefechts in einer WM-Auszeit gingen um die Basketball-Welt. Die Frage nach dem Chef ist beantwortet.

In einer Serie von gemeinsamen Oho-Momenten lieferten Dennis Schröder und Daniel Theis bei dieser WM einen besonders denkwürdigen. «Ich habe, seit du 14 Jahre alt bist, das Beste aus dir herauszukriegen versucht. Mache ich das gerade nicht?», herrschte Schröder seinen Kumpel Theis in einer Auszeit an – und hunderttausende Zuschauer vor den Bildschirmen waren bei der Auseinandersetzung live dabei.

Den nächsten Oho-Moment, der das Publikum in Erstaunen versetzt, will das Duo nun unbedingt sportlich setzen. Am besten schon am Mittwoch (10.45 Uhr/Magentasport), wenn gegen Lettland der erste WM-Halbfinaleinzug seit 2002 und das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris möglich sind.

Die klare Favoritenrolle will das Team nicht an sich ranlassen. «Auf so was hören wir zum Glück nicht. Lettland hat Frankreich und Spanien geschlagen. Wir denken nicht, dass es ein leichtes Spiel wird. Sie spielen als Team unglaublich gut», warnte Theis am Dienstag im Mannschaftshotel in Manila. Über sich selbst stolpern wollen die zuletzt so starken Basketballer nun wirklich nicht. Dabei schien genau das zu drohen, als das hitzige Wortgefecht eskalierte und Bundestrainer Gordon Herbert nicht nur Schröder anbrüllte, sondern diesen kräftig am Arm packte.

Spektakel gegen Slowenien

Es kam dann anders. Aus dem 11:16-Rückstand in besagter Auszeit wurde gegen die Slowenen um Superstar Luka Doncic ein echtes Spektakel. Endstand: 100:71. Schröder und Theis söhnten sich noch am Spielfeldrand aus und relativierten in Interviews den Vorfall. Coach Herbert, dessen Autorität in der heiklen Szene durchaus auf dem Spiel stand, machte wiederholt Witze über die gemeinsame Braunschweiger Jugend des Duos. Und kündigte an, das Thema intern final klären zu wollen.

Für Theis und Schröder war eine weitere Aussprache nicht nötig. «Dennis und ich kennen uns seit 14 Jahren. Wir beide haben einfach nicht gut gespielt. Das haben wir direkt angesprochen. Er hat mir gesagt, dass ich nicht gut gespielt habe – das habe ich angenommen», sagte der 31 Jahre alte Theis im Teamhotel in Manila. Die Außenwirkung des Vorfalls ist ihm durchaus bewusst. «Es sieht natürlich doof aus, aber es hat dem Team einen Push gegeben. Danach ist die Sache vorbei, das ist kein Thema mehr.» Auch Herbert verzichtete auf weitere Sanktionen.

Die Generation Schröder/Theis ist in den Tagen in Asien dabei, an ihrem eigenen Denkmal zu arbeiten. Mit einem erwarteten Sieg im Viertelfinale gegen die Letten an diesem Mittwoch wäre dafür der nächste Meilenstein gesetzt – und das alles gerade mal ein Jahr nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei der Heim-EM in Köln und Berlin. Es war die erste Medaille bei einem Großereignis seit 2005.

Alles dreht sich um Schröder

Der Begriff der Generation Schröder/Theis ist eigentlich unpräzise. Denn im deutschen Team dreht sich eigentlich alles nur noch um den 29 Jahre alten Schröder, der im Nationaltrikot als von allen Seiten gelobter Anführer so viel Macht anhäuft, wie sie selbst Ex-Superstar Dirk Nowitzki nie hatte.

«Großes Lob an alle, die in der Kabine sind. Jeder packt sein Ego für das Team zur Seite. Und jeder lässt mich auch das Team anführen. Jeder hört jedem zu und das zeichnet uns aus», sagte Schröder ausgerechnet am Sonntag, als er Coach Herbert erst nicht zuhörte und dafür vom 64-Jährigen einen kurzen Denkzettel in Form einer Auswechslung verpasst bekam. «Er hat uns rausgenommen, damit wir runterfahren. Es hat geholfen am Ende», beschrieb Theis.

Alte Freunde

Er und Schröder spielen nicht nur beide in der NBA, sondern sind seit gemeinsamen Braunschweiger Zeiten ab 2010 gut befreundet. «Das blinde Verständnis macht uns so stark», erklärte Theis, der als athletischer Großer nur allzu oft Abnehmer für Schröders hohe Anspiele ist. Auch Coach Herbert hat das spektakuläre Duo längst als Achse für sein Team etabliert. «Sie sind gemeinsam gewachsen. Sie haben diesen besonderen Draht zueinander. Das hilft, weil wir nur wenig Zeit zusammen haben», sagte Herbert. Schröder selbst nennt Theis «einen kleinen, großen Bruder».

Wie groß Schröders Macht ist, zeigt sich auch während der WM. Der Profi der Toronto Raptors bekommt – auch von Coach Herbert – besondere Freiheiten, hat seine komplette Familie mit dabei und wird von seinen Teamkollegen mit keinem Wort kritisiert. Vor dem Turnier, das am Sonntag mit dem großen Finale in Manila endet, hatte Schröder mit scharfer Kritik an Maximilian Kleber indirekt dafür gesorgt, dass der Profi der Dallas Mavericks seinen WM-Rückzug erklärte.

Schröder entschuldigte sich zwar, doch dass das Team schließlich ohne Kleber nach Asien reiste, dürfte dem Kapitän nicht unrecht gewesen sein. Sportlich hatte man den Würzburger angesichts riesiger Qualität auf den großen Positionen nach Schröders Dafürhalten nicht unbedingt benötigt. Und abseits des Feldes wäre nach der Breitseite in einem Podcast wohl jede Kleinigkeit interpretiert worden. So versammelten sich alle hinter Chef Schröder, der das Team vor der heißen K.o.-Phase auf den Philippinen zu einer makellosen 5:0-Bilanz und beeindruckenden Siegen geführt hat.

Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa