Mit ihrem Bruder Tim, heute Profi bei Fortuna Düsseldorf, hat sich Lena Oberdorf einst bei Youtube oft den rustikalen spanischen Kapitän Sergio Ramos angeschaut. Was ihr auffiel: «Der hat sich immer gefeiert, wenn er eine Grätsche ausgepackt hat.»
Heute feiern die deutschen Fußballerinnen die 20 Jahre junge Mittelfeld-Abräumerin vom VfL Wolfsburg bei der Europameisterschaft. Auch beim 2:0 gegen Österreich glänzte Oberdorf – und darf mit den DFB-Frauen weiter vom Finale am 31. Juli im Londoner Wembley-Stadion träumen.
Oberdorf liebt es, «wenn es auch mal knallt»
«Ich liebe es, wenn es physisch zur Sache geht, wenn es im Zweikampf auch mal knallt», erklärte Oberdorf mal ihre Spielweise. Mit zwölf spielte die Defensivspezialistin schon in der U15-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes, mit 17 löste sie bei der WM 2019 in Frankreich Birgit Prinz als jüngste deutsche Nationalspielerin ab.
«Ich glaube, alle haben gesehen, was Lena Oberdorf in diesen jungen Jahren heute gespielt hat – mit einer Reife und einer Intensität und einer Lust, Bälle zu erobern (…) und das auf ihre Mitspielerinnen zu übertragen. Das war klasse!», schwärmte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem Halbfinal-Einzug in Brentford.
Sie prophezeite Oberdorf eine «große Zukunft» – was besonders die Verantwortlichen in Wolfsburg freut: Der VfL hatte einen Tag vor dem EM-Auftakt ihren Vertrag bis 2025 verlängert. Das Toptalent zieht es nicht ins Ausland, obwohl sie in England zum Beispiel sicher mehr verdienen könnte. «Das familiäre Verhältnis, das man in Wolfsburg hat, gibt einem unfassbar viel», sagte sie.
«Müssen in jedem Spiel alles reinhauen»
Beim deutschen Meister würde Oberdorf künftig natürlich am liebsten als Europameisterin spielen. Frankreich oder Titelverteidiger Niederlande sind in Milton Keynes der Halbfinal-Gegner Deutschlands – und im Endspiel könnte es gegen England gehen.
«Ich glaube, dass man von Anfang an sagen konnte, dass der größte Traum Wembley ist. Mit dem Mannschaftsgefühl, das wir gerade haben, sind wir da auf dem besten Weg», sagte Oberdorf nach dem vierten Zu-Null-Spiel des Rekord-Europameisters bei dieser EM. «Wir wissen genau, dass wir in jedem Spiel alles reinhauen müssen.»
Neben Ramos schaut sich die frühere Essenerin auch gerne etwas von einem weiteren spanischen Ex-Weltmeister ab: «Ich gucke sehr gerne Sergio Busquets zu, weil er sich immer extrem gut in den Räumen bewegt.» Und sie hofft, Bayern-Star Joshua Kimmich persönlich kennenzulernen. «Ich glaube, ich würde mich gerne mit Kimmich austauschen, weil er auch so ein bisschen das verkörpert: diese Emotionen im Spiel, niemals aufgibt, in jeden Zweikampf nochmal reingeht, jeden Laufweg nochmal macht», erklärte Oberdorf. «Ich glaube, dass unsere Spielideen ganz gut zusammenpassen.»
Wie Kimmich im Männer-Nationalteam ist Oberdorf bei den Frauen nicht mehr wegzudenken. Dabei war ihr erster Tag in der DFB-Auswahl «ein bisschen unangenehm» – als sie da Alexandra Popp gegenüber stand. Die hatte sie einige Zeit zuvor bei einem Spiel des FC Silschede, wo ihre Schwester kickte, getroffen. «Ich konnte es gar nicht glauben. Ich bin dann irgendwann zu ihr hingegangen und habe gefragt, ob sie wirklich die Alex Popp ist», erzählte Oberdorf kürzlich im Magazin «Elfen». «Aber ich habe es ihr so lange nicht abgekauft, bis sie ihren Führerschein hervorholte und ihn mir vors Gesicht hielt.»
Als Oberdorf dann 2019 erstmals vom DFB eingeladen wurde, hoffte sie inständig, dass sich Popp – die bei dieser EM in bislang jedem Spiel getroffen hat – nicht mehr an die eher peinliche Szene erinnern würde. Doch ihre heutige Mitspielerin in Wolfsburg und in der DFB-Auswahl legte ihr die Hand auf die Schulter: «Na, weißt du noch, damals?»
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