Noch nie war Jörg Roßkopf nach einem verlorenen WM-Finale so stolz. «Dieses Silber glänzt wie Gold», sagte der Bundestrainer der deutschen Tischtennis-Nationalmannschaft nach dem 0:3 gegen den Gastgeber China.
Deutliche Endspiel-Niederlagen gegen die Tischtennis-Übermacht kennt Roßkopf zwar schon von den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr oder von der vorangegangenen Team-Weltmeisterschaft 2018 in Schweden. Aber die Geschichte dieses Finals in Chengdu ist eine völlig andere. Es war ein großer Erfolg, mit der Außenseiter-Besetzung Dang Qiu, Benedikt Duda und Kay Stumper überhaupt so weit gekommen zu sein. Bislang hatte Roßkopf nur die vergeblichen Versuche der Generation Boll/Ovtcharov erlebt, die dominanten Chinesen wenigstens einmal vom Thron zu stoßen.
Nur Dang Qiu gewinnt einen Satz
Die Geschichte dieses Finals ist so schnell erzählt, wie das aus deutscher Sicht zu befürchten war. Duda verlor zum Auftakt in 0:3 Sätzen gegen den Weltranglisten-Ersten Fan Zhendong. Einzel-Europameister Dang Qiu gewann beim 1:3 gegen Olympiasieger Ma Long wenigstens den dritten Satz. Und dem 19 Jahre alten WM-Debütanten Kay Stumper gelang gegen Mixed-Weltmeister Wang Chuqin auch keine Überraschung mehr (0:3).
«Erstmal bin ich traurig. Ich werde später realisieren, wie viel wir bei diesem Turnier erreicht haben», sagte Stumper.
Das deutsche Überraschungsteam hatte zuvor in der 20-Millionen-Einwohnerstadt im Westen Chinas zwei Tischtennis-Thriller nacheinander gewonnen: 3:2 nach 0:2-Rückstand im Viertelfinale gegen Frankreich. Und am Samstag dann 3:2 nach 1:2 im Halbfinale gegen noch einmal deutlich stärker besetzte Südkoreaner.
China zum zehnten Mal in Serie Team-Weltmeister
Gegen China hat im Tischtennis allerdings schon seit Jahren niemand mehr eine Chance. In diesem Team ist selbst der Weltranglisten-Dritte Liang Jingkun nur Ersatz. So gewannen die Olympiasieger den WM-Titel zum zehnten Mal nacheinander. Die letzten Mannschafts-Weltmeister, die nicht aus China kamen, waren die Schweden in den Jahren 2000, 1993, 1991 und 1989.
In Deutschland hat der frühere Doppel-Weltmeister Roßkopf derweil geschafft, was kaum jemand in den vergangenen Jahren für möglich hielt: Eine Mannschaft aufzubauen, die auch ohne den Rekord-Europameister Timo Boll und den Olympia-Dritten Dimitrij Ovtcharov (beide Trainingsrückstand) zur Weltspitze gehört. Schon 2021 verteidigten die Deutschen ohne die beiden ihren EM-Titel. Doch selbst der damalige Führungsspieler Patrick Franziska war in Chengdu nach der Geburt seines ersten Kindes nicht dabei.
Boll «super stolz auf die Jungs»
Also formte Roßkopf ein Team, das neben der starken Entwicklung aller drei Spieler in den vergangenen Monaten vor allem vom Zusammenhalt lebt. Duda und Dang sind auch privat enge Freunde. Beide lebten bereits zusammen in einer WG und gewannen als Doppelpartner unter anderem das WTT-Turnier in Katar in diesem März. Bei Stumper ging alles noch schneller: 2021 wurde er Junioren-Europameister, 2022 verpflichtete ihn der deutsche Rekordmeister Borussia Düsseldorf. Bei dieser WM dann verdrängte er nach dem dritten Vorrunden-Spiel den deutlich erfahreneren Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach).
«Wir können alle super stolz auf die Jungs sein. Finale ist natürlich Wahnsinn», sagte Rekord-Europameister Boll in einer Video-Botschaft. Bei den Olympischen Spielen 2024 will er aber selbst wieder dabei sein.
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