Deutschlands Handballer verschränkten ihre Arme und blieben wie versteinert auf dem Parkett stehen. Ratlos blickten die DHB-Profis nach dem Dämpfer im Kampf um ein Olympia-Ticket an die Hallen-Decke.
Die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason, dessen Vertrag sich nur im Falle einer Teilnahme bis 2027 verlängert, musste sich Kroatien mit 30:33 (10:16) geschlagen geben. Die deutsche Auswahl verpasste vornehmlich wegen einer in der ersten Halbzeit desolaten Leistung eine optimale Ausgangsposition für das abschließende Spiel an diesem Sonntag (14.10 Uhr/ARD) gegen Österreich.
«Wir waren sehr enttäuscht mit der ersten Halbzeit», sagte Gislason verstimmt im ZDF. Seine Mannschaft habe sich das Leben mit schlechten Würfen selbst unglaublich schwer und den Kroaten leicht gemacht. «Die Kroaten waren besser als wir, wenn man die gesamten 60 Minuten betrachtet. Diese erste Halbzeit war sehr ärgerlich», konstatierte der Isländer. In der Halbzeit habe er seinen Spielern gesagt, «dass die besten sechs Kroaten in unserer Kabine sitzen und wir unseren Job jetzt machen müssen». Überhastet und kopflos habe sein Team in den ersten 30 Minuten agiert.
Vor 10.099 Zuschauern war erneut Renars Uscins mit acht Toren bester Werfer für die deutsche Auswahl, die sich zwei Tage nach dem Auftaktsieg gegen Algerien unzählige Fehler im Angriffsspiel leistete. «Wir fangen erst in der zweiten Halbzeit richtig an zu kämpfen», sagte der Rückraumspieler aus Hannover.
Die Chance auf eine Olympia-Teilnahme bleibt dennoch weiterhin groß. Ein Sieg über Österreich sollte am Sonntag reichen. Nur die zwei besten Teams aus der Vierergruppe sichern sich ein Ticket für die Sommerspiele in Frankreich. Man habe unabhängig vom Ergebnis gegen Kroatien gewusst, dass es am gegen Österreich ein Endspiel gebe, sagte Gislason. In der zweiten Halbzeit habe seine Mannschaft sehr gut gespielt. «Von daher ist es ein reines Endspiel um das Olympia-Ticket gegen eine Mannschaft, die auch sehr gut ist. Es geht um alles», meinte der 62-Jährige.
Kroatien-Keeper wird zum DHB-Schreck
Mit einer Mischung aus Neugier und Ungewissheit waren Deutschlands Handballer in das Duell mit Kroatien gegangen. Niemand wusste, wie die Auswahl vom Balkanstaat unter ihrem neuen Coach Dagur Sigurdsson auftritt. Der Isländer kannte den deutschen Handball aus seiner Zeit als Bundestrainer hingegen bestens.
Der vermeintliche Wissensvorsprung half. Das DHB-Team startete sehr nervös und verzweifelte wie schon bei der EM reihenweise an Kroatiens Keeper Dominik Kuzmanovic. Verworfene Siebenmeter und unzählige technische Fehler führten zu einfachen Ballverlusten, die der EM-Elfte schnell zur 5:1- und später zur 16:9-Führung nutzte. Einzig Torhüter Andi Wolff zeigte eine ordentliche Leistung.
Spielmacher Knorr nicht in Form
Beim 24. Geburtstag von Rückraum-Ass Julian Köster fehlte es der deutschen Mannschaft an Körperlichkeit und Emotionalität. Die Abwehr leistete kaum Widerstand, die schwache Bundesliga-Form von Spielmacher Juri Knorr spiegelte sich auch in der Nationalmannschaft wider. Die Chancenverwertung blieb bis zur Pause katastrophal.
Angeheizt vom Heim-Publikum trat das DHB-Team nach dem Wechsel deutlich engagierter auf. Die Zweikämpfe führten Spielmacher Marian Michalczik und Co. nun intensiver und der Rückstand schrumpfte auf drei Tore (17:20). Der eingewechselte Sebastian Heymann mit seinen knallharten Würfen und Uscins in seiner Heimhalle belebten das Offensivspiel.
Uscins‘ Aufbäumen hilft nicht
Deutschland war jetzt im Spiel und plötzlich wackelte Kroatien. Mit seinem Treffer zum 21:23 versetzte Jannik Kohlbacher die Fans Mitte der zweiten Hälfte in Ekstase. Auch wenn jeder Wurf des U21-Weltmeisters Uscins in dieser Phase im Tor landete, berappelte sich Kroatien wieder.
In der Schlussphase wurde es intensiver und Heymann sah nach einem Foul die Rote Karte. Acht Minuten vor Spielende gingen die Gäste wieder mit vier Toren in Führung – und hielten den Vorsprung bis zum Schluss. Gegen Österreich braucht Deutschland dringend eine Leistungssteigerung und einen Sieg.
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