21. November 2024

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Nagelsmann rüffelt Jungstar Zirkzee und kontert Pöbel-Fans

Joshua Zirkzee sorgt mit einem fahrlässig verdaddelten Tor für die Aufregerszene beim Bayern-Test gegen Amsterdam. Sein Trainer belässt es bei einer eindringlichen Ermahnung.

Unfassbar – und unverzeihlich? Joshua Zirkzee stand nach seiner ausgelassenen Megachance im gegnerischen Tor und blickte im neuen Fünf-Sterne-Meistertrikot des FC Bayern mit großen Augen fassungslos ins weite Stadionrund.

Der 20 Jahre alte Bubi-Torjäger aus den Niederlanden sorgte beim 2:2 (1:1) der Münchner im Testspiel gegen Ajax Amsterdam für die Aufregerszene des Spiels, als er das sichere Tor zur 2:1-Führung mit lässiger Arroganz verdaddelte.

Julian Nagelsmann beließ es bei einem öffentlichen Rüffel – und einer eindringlichen Ermahnung. «Ich denke, dass er in einem Pflichtspiel – oder ich hoffe es – eine andere Seriosität hat in dieser Situation», sagte Nagelsmann nach dem sieglosen Heimdebüt als Bayern-Coach vor erstmals wieder 8500 Zuschauern in der Allianz Arena. «Er hat es nicht mit Absicht gemacht», sagte Nagelsmann mit erstaunlicher Nachsicht. «Da werde ich jetzt auch kein Gespräch mit ihm suchen. Er weiß, dass er das besser lösen kann.»

Zirkzee zu lässig

Zirkzee hatte in der 44. Minute erst vieles richtig gemacht. Er eroberte energisch den Ball, umkurvte Torwart Remko Pasveer und lief aufs leere Tor zu. Er verlangsamte dann aufreizend das Tempo – und der von hinten heraneilende Perr Schuurs konnte zur Ecke klären. «Er hat den Gegenspieler einfach nicht gesehen», staunte Nagelsmann.

Einen Tag nach seinem 34. Geburtstag blieb Nagelsmann damit auch bei seinem Heimdebüt als Bayern-Coach sieglos. Nach dem 2:3 gegen den 1. FC Köln reichten in Abwesenheit der EM-Teilnehmer die Tore von Eric Maxim Choupo-Moting (40. Minute) und Tanguy Nianzou (48.) nicht aus. Zakaria Labyad (10.) hatte Ajax nach einem Patzer von Torwart Sven Ulreich in Führung gebracht, Victor Jensen (50.) glich zum 2:2 aus.

Angesichts der «wild zusammengewürfelten Mannschaft» (Ulreich) war das Ergebnis zweitrangig. Die Abwesenheit der arrivierten Stars aber soll eigentlich die Chance für Nachwuchskräfte wie eben Zirkzee oder auch Michaël Cuisance (21) sein, sich in den Fokus zu spielen.

Dünner Kader

Gerade in Corona-Zeiten: Der Münchner Kader ist immer noch exquisit besetzt, aber in der Breite arg dünn. Weitere große Transfers über 42-Millionen-Euro-Mann Dayot Upamecano hinaus sind in diesem Sommer nicht drin. «Wir versuchen, mit kreativen Lösungen wettbewerbsfähig zu sein», sagte Nagelsmann. Er muss Talente auf Topniveau hieven.

Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel Zirkzee. Ende 2019 setzte er sich mit zwei Bundesliga-Toren gegen Freiburg und Wolfsburg als gefeierter Bayern-Retter in Szene. Dauerhaft taugt(e) der Youngster aber nicht zum Lewandowski-Backup. Die Rolle wird auch in der neuen Saison dem 32-jährigen Choupo-Moting zukommen, den Nagelsmann nach dem Ajax-Spiel als Typen und Vorbild für den Nachwuchs hervorhob.

Der Bayern-Coach ist heilfroh, dass in der nun anstehenden vierten Woche der Vorbereitung endlich die Nationalspieler wie Lewandowski oder Leon Goretzka aus dem Urlaub zurückkehren. «Es geht erst so richtig los, wenn der Kader komplett ist.» Frühstarter Serge Gnabry soll schon beim nächsten Test am Mittwoch gegen Borussia Mönchengladbach wenigstens ein paar Minuten dabei sein. Und drei Tage später gegen den SSC Neapel sollen alle gesunden Nationalspieler nach den ersten Trainingseinheiten gleich «eine Option» sein, wie Nagelsmann sagte.

Pöbeleien gegen Nagelsmann

Er selbst musste wegen seiner Vergangenheit als Spieler und auch Nachwuchstrainer beim Lokalrivalen 1860 München bei seinem Heimdebüt die Pöbeleien einiger Krakeeler unter den Bayern-Fans ertragen. «Ja, ich habe das mitbekommen. So voll war es noch nicht, es war die lautstärkste Gruppe im Stadion», sagte Nagelsmann nach dem Spiel.

Der bekennende Bayern-Fan Nagelsmann reagierte souverän. Er sei «kein großer Freund von Rivalitäten» im Sport, er stehe für Toleranz und Offenheit. «Ich lasse jeden nach seinem Gusto leben. Es muss nicht jeder Applaus klatschen, dass ich früher mal beim Stadtrivalen war.» Sein Schlusswort sprach er sehr gelassen aus: «Du kannst nicht jeden glücklich machen. Und gewisse Dinge musst du einfach abkönnen.»

Von Klaus Bergmann, dpa