23. November 2024

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Nächste WM-Krone für Evenepoel – Abgang zu Ineos-Rennstall?

Zehn Monate nach dem WM-Titel auf der Straße holt Remco Evenepoel auch das Regenbogentrikot im Zeitfahren. Für die beiden deutschen Starter endet das Zeitfahren enttäuschend.

Völlig abgekämpft, aber überglücklich fiel Remco Evenepoel im Schatten des mittelalterlichen Stirling Castle seiner Frau Oumaima in die Arme und zelebrierte seinen nächsten Coup.

«Ich bin superstolz und total happy. Nach einer halben Stunde habe ich gewusst, dass heute so ein Tag ist», sagte Evenepoel, nachdem er wie entfesselt die engen Gassen in der Altstadt von Stirling hinaufgestürmt war und sich bei der Rad-WM in Schottland zum jüngsten Zeitfahr-Weltmeister gekrönt hatte. 

«Das war eines meiner großen Ziele in dieser Saison», ergänzte der 23-Jährige, der in seiner Heimat bereits als neuer Eddy Merckx gefeiert wird. Zehn Monate nach seinem Triumph im WM-Straßenrennen setzte Evenepoel seinen beachtlichen Beutezug mit dem zweiten bedeutenden Regenbogentrikot im Radsport fort und entschied auch das Duell der Jungstars mit Tadej Pogacar klar für sich. 

Evenepoel siegte auf dem 47,8 Kilometer langen Parcours in 55:19 Minuten vor dem italienischen Stundenweltrekordhalter Filippo Ganna und dem überraschend starken Youngster Joshua Tarling aus Großbritannien. Keine Rolle spielte dagegen Pogacar, der Slowene verlor gut drei Minuten auf die Spitze.

Deutsche spielen Nebenrolle

Als sich die Stars der Szene an der alten Festung im Osten Schottlands einen spannenden Kampf um Sekunden lieferten, spielten die beiden deutschen Vertreter Lennard Kämna und Nils Politt nur eine Nebenrolle und verpassten sogar die für Olympia so wichtige Top-Ten-Platzierung. «Das ist eine Enttäuschung, man kann es nicht anders sagen. Das ist nix, wo wir drauf anstoßen», sagte Kämna, der mit einem Rückstand von drei Minuten als 19. gestoppt wurde. Für den deutschen Meister Politt (3:55) reichte es nur zu Platz 32. «Blöd gelaufen», meinte Politt.

Für Evenepoel ist es die Entschädigung für den Verlust des Titels im Straßenrennen am vergangenen Sonntag und der nächste große Erfolg in diesem Jahr, nachdem er bereits Klassikersiege in Lüttich und San Sebastian gefeiert hatte. Dabei zeigte sich das Jahrhunderttalent auch unbeeindruckt von dem Wirbel um seine Zukunft. Sein Vater Patrick hatte zuletzt einen möglichen Abschied vom belgischen Rennstall Soudal-Quick Step ins Gespräch gebracht. Als möglicher neuer Arbeitgeber ist unter anderem das deutsche WorldTour-Team Bora-hansgrohe im Gespräch.

Evenepoel, der 2019 mit Platz zwei sowie in den vergangenen beiden Jahren jeweils mit Bronze bereits drei Zeitfahr-Medaillen geholt hatte, sorgte für den ersten belgischen WM-Triumph im Kampf gegen die Uhr überhaupt. Nach der ersten Zwischenzeit bei 12,6 Kilometer lag Evenepoel noch hinter «Top Ganna», dann drehte der Vuelta-Champion aber auf und baute nach und nach den Vorsprung aus. 

Tarling überrascht

Die große Überraschung des Tages war aber Tarling. Bei der ersten Zwischenzeit war der 362. der Weltrangliste in Schlagdistanz zu Ganna und Evenepoel. Den Stars Wout van Aert und Pogacar hatte er da schon eine halbe Minute abgeknöpft. Dabei ist der britische Zeitfahrmeister gerade erst seit Saisonbeginn bei den Profis dabei, einen WorldTour-Sieg hat er noch gar nicht geholt.

Für die beiden deutschen Starter lief es nicht so gut. Politt hatte beim Ritt durch die schottische Landschaft «ziemlich zu kämpfen». Kämna war deutlich schneller unterwegs, für einen Sprung unter die besten Zehn reichte es aber auch nicht.

Im Juniorenbereich hatte zuvor der Sohn des früheren Tour-de-France-Champions Bradley Wiggins aufhorchen lassen. Ben Wiggins gewann mit Silber im Einzelzeitfahren seine erste WM-Medaille, der Deutsche Louis Leidert sicherte sich beim Sieg des Australiers Oscar Chamberlain Bronze.

Bei der am Sonntag zu Ende gehenden Super-WM in Schottland bleibt dem deutschen Team im Elitebereich noch eine Medaillenchance im Straßenrennen der Frauen. Dabei zählt die deutsche Meisterin Liane Lippert zum Favoritenkreis.

Evenpoel zu Ineos-Rennstall?

Die Spekulationen um die Zukunft des 23-jährigen Belgiers Evenpoel gehen indes weiter. Laut dem früheren Toursieger Alberto Contador soll Evenepoel in der nächsten Saison für den britischen Rennstall Ineos Grenadiers fahren. Das hat der Spanier offenbar als Eurosport-Experte ausgeplaudert.

Evenepoel wollte sich auf der Pressekonferenz nach seinem Sieg zunächst nicht äußern und meinte mit Blick auf die andauernden Spekulationen: «Wenn ich jeden Tag denselben Scheiß höre, wird es eine lange Vuelta. Ich hoffe, dass sich die Diskussion legt», sagte der Jungstar und entschuldigte sich anschließend für seine Wortwahl.

Zuletzt hatte der Vater von Evenepoel einen möglichen Abgang des neuen Zeitfahr-Weltmeisters vom belgischen Soudal-Quick-Step-Team ins Gespräch gebracht und von drei konkreten Interessenten gesprochen. Laut belgischen Medienberichten wurde auch das deutsche Bora-hansgrohe-Team genannt. Evenepoel besitzt noch einen langfristigen Vertrag bei Soudal-Quick Step.

Von Stefan Tabeling, dpa