Ja will denn gar kein Coach mehr zum FC Bayern? Der deutsche Rekordmeister ist auf seiner Trainersuche ein weiteres Mal düpiert worden und hat auch Ralf Rangnick nicht nach München locken können. Der 65-Jährige zieht einen Verbleib als Teamchef von Österreichs Nationalmannschaft überraschend dem Job an der Säbener Straße vor.
Nach der Abfuhr aus Wien bleiben den Bayern langsam nur noch Kompromisskandidaten, die im Sommer die Nachfolge von Thomas Tuchel antreten sollen. Dabei war schon Rangnick nur die dritte Wahl beim langjährigen deutschen Fußball-Primus gewesen, wo die extrem zähe Trainersuche selbst den sportlichen Höhepunkt mit dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid überschattet.
«Ich bin mit vollem Herzen österreichischer Teamchef. Diese Aufgabe macht mir unglaublich viel Freude und ich bin fest entschlossen, unseren eingeschlagenen Weg erfolgreich weiterzugehen», sagte Rangnick in der Mitteilung des Österreichischen Fußball-Bunds (ÖFB).
Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, sagte Rangnick den Bayern am Mittwochabend ab – dabei war noch zu Wochenbeginn eigentlich eine weitgehende Einigung erzielt worden. Die Verwunderung in München war entsprechend groß.
Österreich feiert «Fußball-Märchen»
Voller Genugtuung verkündete indes der ÖFB, dass er seinen Erfolgscoach über die Europameisterschaft im Sommer hinaus behält – Rangnick hat in Österreich einen Vertrag bis zur WM 2026, sollte sich die Alpenrepublik dafür qualifizieren. «Wir sind extrem happy über seine Entscheidung. Wir haben verstanden, dass er zwei sehr attraktive Optionen hatte und haben ihm die Zeit gegeben, alles in Ruhe abzuwägen. Wir sind stolz, dass er sich für Österreich entschieden hat», teilte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel mit.
Der Stolz geht über den Verband hinaus. «JAAA! Ralf Rangnick bleibt unserem ÖFB-Team treu», titelte die «Kronen»-Zeitung unmittelbar nach der Bekanntgabe. «Heute» schrieb von einer «Fußball-Sensation», und der «Kurier» frohlockte: «Wenn das nicht ein Fußball-Märchen ist, was dann? Die Europameisterschaft kann jedenfalls kommen.»
In den vergangenen Tagen hatten die Bayern vergeblich versucht, den früheren Bundesligatrainer von Stuttgart, Hannover, Schalke, Hoffenheim und Leipzig zu überzeugen. Noch am Dienstagabend nach dem Champions-League-Spiel gegen Real Madrid (2:2) hatten die Münchner Vereinsbosse optimistisch geklungen, von guten Verhandlungen gesprochen und eine Entscheidung Rangnicks in Kürze angedeutet. Einen Tag später folgte dann die Ernüchterung für die Trainersucher um Sportvorstand Max Eberl.
Hoeneß-Wirbel mitten in Überzeugungsphase
«Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das keine Absage an den FC Bayern ist, sondern eine Entscheidung für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele», wurde Rangnick in der Mitteilung weiter zitiert. «Unsere volle Konzentration gilt der Europameisterschaft. Wir werden alles unternehmen, um dort so weit wie möglich zu kommen.»
Was letztlich den Ausschlag für die Entscheidung des Schwaben gab, darüber kann spekuliert werden. Zuletzt hatten einige Experten und Ex-Profis gezweifelt, ob Rangnick überhaupt zum FC Bayern passen würde. An der Säbener Straße reden neben den hauptamtlichen Bossen um Eberl, Vorstandschef Jan-Christian Dreesen und Sportdirektor Christoph Freund schließlich auch noch Granden wie Clubpatron Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge als mächtige Aufsichtsräte mit.
In der vorigen Woche etwa hatte Hoeneß auf einer Podiumsdiskussion bestätigt, dass die Münchner bei Rangnick erst anfragten, nachdem ihnen Leverkusens Meistercoach Xabi Alonso und Bundestrainer Julian Nagelsmann abgesagt hatten. Deutlicher kann einem nicht vermittelt werden, dass man nur dritte Wahl ist. Als Hoeneß zugleich den Noch-Trainer Thomas Tuchel hart kritisierte und trotz des folgenden Aufruhrs unterstrich, «wild entschlossen» auch in Zukunft seine Meinung sagen zu wollen, bekam auch Rangnick einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Arbeitsbedingungen in München.
Und wer ist jetzt die D-Lösung?
Nach den Absagen von Alonso, Nagelsmann und Rangnick dürften jetzt wieder Kandidaten in den Fokus rücken, die zuletzt eigentlich schon abgeschrieben schienen. Unter ihnen war etwa Roberto De Zerbi vom englischen Verein Brighton & Hove Albion, Ex-Weltfußballer Zinédine Zidane oder der frühere Real-Madrid- und Spanien-Coach Julen Lopetegui.
Dass diese drei Trainer kein Deutsch sprechen – Zidane darüber hinaus kaum Englisch – ist eigentlich bereits ein Ausschlusskriterium für den Prestigejob beim FC Bayern. Möglicherweise aber muss mit jeder Woche, die bis zur Sommerpause ohne neuen Coach verstreicht, das Profil angepasst werden.
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