23. November 2024

Sport Express

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Nach Walter-Aus beim HSV – kommt jetzt Baumgart?

Trainer Tim Walter muss beim Hamburger SV gehen. Doch er hinterlässt auch Spuren. Sportvorstand Jonas Boldt setzt bei der Nachfolge vorerst auf eine interne und nicht auf eine prominente Lösung.

Mit ernsten Gesichtern und sichtlich betreten gingen die Spieler des Hamburger SV auf den Trainingsplatz gleich neben dem Volksparkstadion. Dort stand ihnen am Nachmittag in Merlin Polzin der bisherige Assistenztrainer in neuer Rolle gegenüber.

Nach der Trennung des Fußball-Zweitligisten vom bisherigen Cheftrainer Tim Walter wird der 33-Jährige vorerst den Tabellendritten betreuen und am Samstag (13.00 Uhr/Sky) im Spiel beim FC Hansa Rostock als Verantwortlicher auf der Bank sitzen.

«Er bekommt definitiv die Chance, und das aus voller Überzeugung», sagte Sportvorstand Jonas Boldt über Polzin bei einer Pressekonferenz kurz vor der Übungseinheit. Er setzt somit vorerst auf eine interne und nicht auf eine prominente Lösung. Zuletzt war der Ex-Kölner Trainer und bekennende HSV-Fan Steffen Baumgart als möglicher Kandidat gehandelt worden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat es aber noch keinen Kontakt gegeben.

Boldt: Nicht «auf Zeitrahmen festlegen»

Polzin habe viel mitgestaltet in den letzten dreieinhalb Jahren, sagte der Sportvorstand. «Daher die Überzeugung, dass wir hier ein großes Trainertalent haben.» Dass er gerade erst die für die Bundesliga notwendige Pro-Lizenz erwirbt, stellt laut Boldt kein Problem mit den Regularien dar.

Dass parallel auch mit anderen Trainern gesprochen wird – gehandelt wird auch Raphael Wicky – räumte der Sportchef ein. «Wir wollen uns gar nicht festlegen auf irgendeinen Zeitrahmen», sagte der 42-Jährige. «Natürlich werden wir überlegen, was können mittel- und langfristige Lösungen sein. Merlin Polzin wird dabei definitiv eine Rolle spielen.»

Am Vormittag hatte der Hamburger SV mitgeteilt, dass er sich von Walter nach mehr als zweieinhalb Jahren getrennt habe. Außer dem 48-Jährigen wurden auch dessen Assistenten Julian Hübner und Filip Tapalovic mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Walter-Aus kommt nicht unerwartet

«Die Freistellung von Tim ist eine Entscheidung, die mir definitiv nicht leichtgefallen ist», räumte Boldt ein. «Zuletzt haben wir aber festgestellt, dass die Stabilität und Überzeugung ein Stück weit verloren gegangen sind. Daher sehen wir uns zum Handeln gezwungen.»

Die Entscheidung kam nicht unerwartet. Drei Tage zuvor nach dem wilden 3:4 im Nordduell gegen Hannover 96 war der Sportvorstand schon von Walter indirekt abgerückt. Nun wurde der Vollzug verkündet. Die Führung traute dem Trainer nicht mehr zu, das Projekt Aufstieg erfolgreich umzusetzen.

Walter war von Boldt persönlich informiert worden. Der Trainer zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung. «Ich hätte gerne weiter dazu beigetragen, gemeinsam unser Saisonziel zu erreichen», sagte er in der HSV-Mitteilung.

Vor Weihnachten stand Walter schon einmal infrage. Nach einer Analyse der Hinrunde erhielt er von Boldt und Sportdirektor Claus Costa den klaren Auftrag, sein Team in der Defensive zu stabilisieren. Spektakel in der Offensive machte die Mannschaft ganz im Sinne des Walter Spielstils genug.

Wachsende Verunsicherung in der Mannschaft

Doch acht Gegentore in den ersten beiden Heimspielen des neuen Jahres gegen den Karlsruher SC (3:4) und Hannover 96 (3:4) machten deutlich, dass die Mannschaft eher Rück- statt Fortschritte gemacht hatte. Und Boldt sah bei den Spielern eine wachsende Verunsicherung.

Auch wenn Walter das große Ziel nicht schaffte, hat er in den zweieinhalb Jahren viel bewirkt. Er identifizierte sich mit dem Verein, der Stadt, den Fans. Und die Stadt und die Fans identifizierten sich mit dem Verein. «Er hat den Verein mit Haut und Haaren gelebt», sagte Boldt.

Als Tabellendritter ist der HSV noch mitten im Aufstiegsrennen. Hauptaufgabe wird jetzt sein, Konstanz in das Team zu bringen. Mehr Stabilität und weniger Spektakel – das ist jetzt, zunächst, Aufgabe und Chance für Polzin.

Von Claas Hennig, Jann Philip Gronenberg und Sebastian Stiekel, dpa